Wie MTV für Rassisten

Die kluge Doku „White Terror“ (23.10 Uhr, Arte) zeigt, wie sich Neonazis die Globalisierung zunutze machen

Der weiße arische Widerstand ist pummelig, trägt unvorteilhafte Shorts und seilt sich linkisch an Felswänden ab. Wie ein Fitnesscamp für frustrierte Hausfrauen nimmt sich das Ausbildungslager der White Aryan Resistance aus. Spätestens wenn die White-Trash-Muttis, die hier samt Ehemännern und Nachwuchs in kleinen und nicht zu infiltrierenden Gruppen den „führerlosen Widerstand“ proben, ihr Glaubensbekenntnis aufsagen, offenbart sich die unbedingte Militanz. Eine erklärt: „Ich bin eine weiße Rassistin, die ihre Kinder zu weißen Rassisten erzieht.“

Das Wehrsportlager für die ganze Familie im Inneren des amerikanischen Herzlands ist einer von vielen Orten auf der Welt, die der Dokumentarfilmer Daniel Schweizer für seine Recherche in Sachen Rechtsextremismus aufgesucht hat. Denn der White Terror ist längst zum erfolgreichen Im- und Exportgeschäft geworden. In Zeiten der Globalisierung operieren eben auch die Vertreter des weißen Rassismus, des Neonazismus und, so paradox das klingt, des Nationalismus über alle Staatsgrenzen hinweg.

Stockholm, Dallas, Moskau – das sind die Grundkoordinaten für das Reportage-Roadmovie. Gelegentlich mutet Schweizers Film unübersichtlich an, aber das muss so sein. Denn schließlich folgt der Schweizer Journalist den Vertriebswegen des Hasses; die sind gewunden – und doch höchst effizient. Die Unübersichtlichkeit hat ihre Logik, durch internationale Netzwerke können die Exponenten der Szene jeweils die Gesetze des eigenen Landes umgehen. In Zeiten der Globalisierung setzt auch der Nazikleinunternehmer auf grenzenlose Synergie. Das ist die alarmierende Erkenntnis der Doku: Sosehr die Agitation der Rassisten auf Ausgrenzung und Diffamierung zielt, desto stärker arbeiten sie untereinander auf umfassende Allianzen hin – unabhängig von unterschiedlichen politischen Zielsetzungen.

So ist Filmemacher Schweizer in den USA vor Ort, als sich Aryan Nations, Ku-Klux-Klan und die Church of the Creator zur Vereinigungsprozession treffen. Außerdem skizziert er, wie in Russland Nationalisten, Heiden und Skinheads den Schulterschluss üben – dies wiederum mit US-Know-how. Das nachkommunistische Russland, so Schweizer, sei längst zum gelobten Land für weiße Rassisten geworden. Zum einen gingen die Behörden kaum gegen die Gruppierungen vor, zum anderen grassiere eine Art Geschichtsaversion. Erstaunlich, dass sich bei 25 Millionen russischen Kriegstoten heute 25.000 junge Leute als Nazis bezeichnen.

Wie schon im Vorgängerfilm „Skinhead Attitude“ schlüsselt Schweizer klug die Paradoxien und Feincodierungen innerhalb der Glatzenkultur auf. Nah geht er an seine Forschungsobjekte ran. Erschreckend und komisch zugleich mutet es an, wenn die nun frank und frei über Strategien und Lebensinhalte sprechen. So wie der schwedische Sozialhilfeempfänger, der den Neonazismus zum Fulltimejob gemacht hat und mit dem Video-Fanzine „Kriegsberichter“ die einflussreichste europäische Faschopublikation herausbringt: „Na ja, das ist rassistische Unterhaltung für schon Bekehrte. Wie MTV, nur mit anderen Inhalten.“

Christian Buss