Wissmann macht’s

Exverkehrsminister will sein Bundestagsmandat hinschmeißen und neuer Auto-Präsident werden

BERLIN taz ■ Matthias Wissmann, Bundestagsabgeordneter der CDU und ehemaliger Bundesverkehrsminister, soll Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) werden. Das verlautet aus Branchenkreisen. Heute soll Wissmann offiziell in sein neues Amt gewählt werden und damit Bernd Gottschalk ersetzen, der Anfang März nach Kritik aus der Branche zurücktreten musste. Mit Wissmann holt sich die deutsche Automobilindustrie einen ihrer wichtigsten politischen Fürsprecher ins eigene Boot. Während Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) die Wahl für „ausgezeichnet“ hält, mahnt Gerd Lottsiepen, Experte des Verkehrsclubs Deutschland VCD: „Mit Wissmann erkauft sich die Autolobby einen direkten Zugang in die Politik.“

Der 57-jährige Wissmann hat sich in der Politik häufig für die deutschen Autobauer eingesetzt. Jüngstes Beispiel ist die EU-Aufforderung, den Ausstoß von Kohlendioxid bei Neufahrzeugen ab 2012 auf 130 Gramm pro Kilometer zu begrenzen. Das sei „ein Schritt in die falsche Richtung“, der viele Arbeitsplätze aufs Spiel setze, sagte der heutige Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag. In seiner Zeit als Verkehrsminister von 1993 bis 1998 unter Helmut Kohl (CDU) setzte Wissmann zudem mehrere Autobahnerweiterungen gegen den Widerstand von UmweltschützerInnen durch.

Die Spuren seiner damaligen Amtszeit sorgen noch heute für heftigen Streit. Etwa die Bahnprivatisierung, die Wissmann in den 90er-Jahren vorbereitet hat und Verkehrsverbänden sowie dem Gewerkschaftsbund DGB um das deutsche Schienennetz fürchten lassen. Sein damaliger Einsatz für die umstrittene Magnetbahn Transrapid bringt ihm noch heute den Vorwurf ein, technikverliebt zu sein.

Die guten Kontakte zur Automobilindustrie hat sich Wissmann erhalten. Verschiedene Zeitungen berichten von regelmäßigen Wirtschaftstagungen im Allgäu, an denen außer dem CDU-Politiker auch Großaktionäre deutscher Autokonzerne sowie VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch teilgenommen haben. „Höchst bedenklich“ findet VCD-Sprecher Gerd Lottsiepen diese engen Kontakte. Mit Wissmann an der Spitze der deutschen Autoindustrie werde es für die Bundesregierung noch schwerer als bisher, sich beim Klimaschutz gegen die Interessen des traditionell starken Interessenverbands durchzusetzen.

Winfried Hermann, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, vermutet ebenfalls: „Für die Autobauer ist Wissmann Gold wert.“ Trotzdem hofft er, dass sich mit einer politikerfahrenen Person an der VDA-Spitze ein ökologischerer Kurs im Verband durchsetzen werde, auch gegen die Interessen von Branchenschwergewichten wie Porsche-Chef Wendelin Wiedeking oder Martin Winterkorn von VW. Die hatten sich laut Stuttgarter Nachrichten für den Ersatz stark gemacht.

MORITZ SCHRÖDER