Keine Interviews

BERLIN/AICHACH taz/ap/dpa ■ Mehr als die Hälfte ihres Lebens hat die ehemalige RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt in Gefängnissen verbracht – Sonntagnacht um zwei Uhr morgens wurde die 57-Jährige auf Bewährung entlassen. Gegenüber wartenden Journalisten machte sie keine Angaben über ihre Zukunftspläne. Nur so viel: Sie werde auch künftig keine Interviews geben. Allerdings hieß es aus Justizkreisen, dass sie bereits eine eigene Wohnung und eine Arbeitsstelle gefunden habe – in einem Betrieb ihr nahestehender Personen.

Das Fahndungsplakat aus den 70er-Jahren zeigt eine hübsche, streng wirkende Frau mit langen blonden Haaren, Lidschatten und etwas spöttischem Blick: Brigitte Mohnhaupt galt als Anführerin der zweiten RAF-Generation, die ab 1977 mit Terroranschlägen versuchte, die RAF-Gründer Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin aus der Haft freizupressen.

Insgesamt neun Morde wurden Mohnhaupt zur Last gelegt. Dazu gehörte unter anderem die Erschießung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback am 7. April 1977, die Ermordung des Dresdner Bank-Chefs Jürgen Ponto am 30. Juni 1977 sowie die Entführung und Erschießung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer im Herbst 1977. 1981 verübte die RAF einen Anschlag auf den amerikanischen General Frederik Kroesen, der das Attentat überlebte – wieder galt Mohnhaupt als eine der Drahtzieherinnen.

1982 wurde Mohnhaupt in einem Wald in Hessen gefasst, wo die RAF ein Depot angelegt hatte. 1985 wurde sie dann zu fünf Mal lebenslänglich und 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Es war eine der härtesten Strafen, die gegen RAF-Angehörige verhängt wurden.

Von dieser Haftzeit hat Mohnhaupt nun 24 Jahre abgesessen, davon 22 in der Justizvollzugsanstalt Aichach bei Augsburg. Im Februar ordnete das Oberlandesgericht Stuttgart ihre Freilassung zum 27. März an, da von der 57-Jährigen keine Gefahr mehr ausgehe. Mohnhaupts Bewährungszeit beträgt fünf Jahre.

Auch der Aichinger Gefängnisleiter Wolfgang Deuschl teilt die Einschätzung, dass Mohnhaupt nicht wieder kriminell wird. „Sie ist nicht die Hardlinerin, als die sie manchmal hingestellt wird.“ Allerdings hat sich Mohnhaupt weder im Prozess noch später im Gefängnis von ihren Taten distanziert. Als die RAF 1992 einen Gewaltverzicht erklärte, lehnte sie diesen ab.

Wie viele RAF-Terroristen stammt auch Mohnhaupt aus einer bürgerlichen Familie. 1949 wurde sie in Rheinberg am Niederrhein geboren. Zum Studium ging sie an die Philosophische Fakultät der Uni München mit dem Ziel, Journalistin zu werden. In dieser Zeit heiratete sie den Studenten Rolf Heißler, der sich später wie sie der RAF anschloss. Die Ehe währte aber nur wenige Jahre.

1971 wurde Mohnhaupt Mitglied der Baader-Meinhof-Gruppe und beschaffte Waffen für Überfälle. Schon 1972 wurde sie jedoch in Berlin festgenommen und zu vier Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Die letzten Monate ihrer Haftzeit verbrachte sie in Stuttgart-Stammheim, auf einer Etage mit Baader und Ensslin, mit denen sie sich täglich treffen konnte. Die inhaftierten RAF-Führer beschlossen, die anstehende Freilassung der damals 27-jährigen Mohnhaupt für die „Offensive 77“ zu nutzen, um mit weiteren Terrortaten auch die restlichen RAF-Mitglieder freizupressen. Denn Baader traute der als aggressiv geltenden Mohnhaupt die Rolle der Einpeitscherin zu, die die RAF-Untergrundkämpfer neu formieren soll.

Kaum wieder in Freiheit, erwarb sich Mohnhaupt tatsächlich den Respekt im Untergrund: Dass sie mit der RAF-Führungsriege eingesessen hatte, verlieh ihr die Autorität einer Statthalterin. Innerhalb nur weniger Monate wurden Buback, Ponto und Schleyer ermordet – als „Deutscher Herbst“ ist diese Zeit des Terrors in die Geschichte eingegangen. UH