Teamgeist hinterm Drahtgitter

Holger Kruse will eine Bolzplatzliga in Kreuzberg aufbauen – mit Hilfe des Internets. Auf seiner Website können die Spieler selbst Turniere organisieren. Bisher läuft das Projekt aber schleppend

VON LUCIA JAY

Vor dem Maschendrahtgitter rund um den Fußballplatz wird gedrängelt und geschubst. Kleine und große Zuschauer recken die Hälse, um einen Blick auf den Spielplan zu erhaschen, der an dem Gitter hängt. Dann geht das Flutlicht an, ein Pfiff ertönt, das erste Spiel beginnt: FC Valencia gegen 36 Streetplayer.

Dies ist ein besonderes Turnier: Gespielt wird auf einem umzäunten Bolzplatz an der Ecke Adalbertstraße/Naunynstraße in Kreuzberg; die Polizei hat sich bereit erklärt, für diesen Abend Flutlichter neben dem Platz aufzubauen, und die Mannschaften wurden von den Jungen zusammengestellt, die sich hier sonst zum Freizeitkicken treffen. Organisiert hat die Bolzplatzmeisterschaft das Projekt Klickkicker.de.

Holger Kruse hat sich Klickkicker.de ausgedacht. Vor dem Anpfiff hat er noch mal durch ein Megafon die Regeln verkündet: Ein Spiel dauert acht Minuten, „Aus“ ist nur hinterm Tor, es wird ohne Schiedsrichter gespielt. Dafür gibt es Fairplay-Punkte für die Mannschaften, wenn das Spiel gut läuft. Die Jugendlichen, die hier im Viertel auf den Bolzplätzen kicken, sollen sich über das Projekt zusammenfinden, erklärt Kruse, der selbst Fußballspieler ist. „Oft gibt es gar keinen Kontakt zwischen den verschiedenen Gruppen und Plätzen.“ Durch gemeinsame Meisterschaften und Bolzplatzligen sollen die Jungen in Kreuzberg Teamgeist und Fairplay erfahren. „Und dann gibt ihnen das Fußballspielen auch ein Gefühl von sozialer Anerkennung“, so Kruse.

Ulaç verfolgt konzentriert das Spiel. Er ist 13 Jahre alt, trägt ein Ronaldinho-Trikot und kommt oft hierher zum Fußballspielen. Ulaç weiß zwar nicht genau, wie sich der Name seiner Mannschaft schreibt – es ist ein englischer Name –, aber er findet das Turnier eine gute Sache. „Es gibt oft Streit um die Bolzplätze“, erklärt er, „aber bei so einem Turnier können alle mitmachen.“ Zudem gebe es auch Preise. Ohne seinen Blick vom Spiel abzuwenden, zählt er auf: Kinokarten für die Gewinner, Sporthandschuhe für den zweiten und dritten Platz.

Aber Klickkicker.de sind nicht nur Bolzplatzturniere, sondern auch eine Internetplattform. „Die Jungen sollen sich langfristig über die Internetseite selber organisieren“, sagt Kruse, „sie können Bilder reinstellen, eine eigene Liga aufbauen und den Spielplan verwalten.“ Seit drei Jahren gibt es das Projekt schon. So richtig entwickelt habe es sich aber bisher noch nicht, gibt er zu.

Trotzdem investiert er weiter in seine Idee. Kruse plant für die Schulferien mehrwöchige Meisterschaften und hofft, dass auch Bolzplatzmannschaften aus anderen Bezirken teilnehmen werden. Und bald soll es auch Bolzplatzpaten geben. Mohammed möchte so ein Pate werden. Er ist 17 Jahre alt und spielt selber viel auf den Plätzen im Viertel. „Jemand muss aufpassen, dass niemand auf den Platz läuft, wenn gespielt wird“, sagt er. Außerdem sollen die Bolzplatzpaten Fairplay-Punkte verteilen und die Ergebnisse der Spiele auf der Internetseite eintragen. Ursprünglich sollte das Projekt zwar völlig ohne Kontrolle funktionieren, aber das hat nicht funktioniert, gibt Holger Kruse zu. „Die Paten geben dem Ganzen einen offizielleren Charakter. Das kommt gut an bei den Jungen.“

An den Seiten stehen nicht nur die Spieler der anderen Mannschaften und feuern die Kicker an, sondern auch ein paar Väter. „Die Turniere sind eine sehr gute Sache“, sagt Merds Vater. „Das Wichtigste: Die Jungen bekommen Selbstbewusstsein und haben Erfolgserlebnisse.“ Dann passiere es auch nicht so schnell, dass 13-Jährige rumhängen und rauchen, meint er. Plötzlich strahlt er über sein ganzes Gesicht und reißt die Arme in die Luft: Sein Sohn Merd hat gerade ein Tor geschossen.