Lust auf Gymnastik

BETRUG Ein selbst gebastelter Presseausweis öffnet die Tür zur EM – und bringt jede Menge Ärger

„Die Einlasskontrolle hätte erkennen müssen, dass das kein echter Ausweis ist“

„Das war keine geplante Tat“, sagt Rolf W., „eher spontan“. Die Decke sei ihm auf den Kopf gefallen an jedem Tag vor einem Jahr. Im Fernsehen hatten sie von der Europameisterschaft in der Messehalle berichtet. „Da bist du unter Leuten“, habe er sich gedacht. Und dann den Ausweis gebastelt.

W. ist 52 Jahre alt, berufsunfähig, seine Rente schmal. Der Eintritt zur EM, als Zuschauer, hätte ihn 24 Euro gekostet. Sein Ausweis ist eine Bastelarbeit von geringer Güte, ein alter Briefbogen von Radio Bremen gab das Logo, „Arbeitsausweis“, tippte W. mit der Schreibmaschine darunter, und dass er „Mitarbeiter“ des Senders sei. Dazu ein altes Foto. „Die Einlasskontrolle hätte erkennen müssen, dass das kein echter Ausweis ist“, findet er. Oder ihn einfach durchwinken sollen.

Stattdessen schickt sie ihn zum Presseeingang, wo er eine ordentliche Akkreditierung bekommt, samt Halsband zum Umhängen. W. geht in die Presselounge, dort stehen Internet-Rechner. Auf dem Land, wo er wohnt, gibt es kein DSL, sagt er. Und dass es ihm leidtue, wie die Sache ausgegangen sei. Betrug, Urkundenfälschung und Körperverletzung wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, hinzu kommen zivilrechtliche Forderungen für einen zerrissenen Anzug. Sechs weitere Personen sind der gemeinschaftlichen Körperverletzung beschuldigt – an W.

Dabei ist er ohne Murren mit den Sicherheitsleuten, die Verdacht geschöpft hatten, rausgegangen vor die Halle, wo er geduldig auf die Polizei wartet. Bis sein Bewacher, Sportreferent beim Innensenator, erwähnt, W. habe sich bei den Umkleiden rumgetrieben. „Rhythmische Sportgymnastik“, erläutert er vor Gericht, „da sind wir immer besonders sensibel“. Er habe „Panik“ bekommen, sagt W., dass man ihn in die Pädophilenecke stellen wolle – und versucht zu fliehen.

Was folgt, ist eine Rangelei zwischen W. und dem Referenten. Dann kommen fünf Security-Leute dazu. Dass W. aktiv getreten habe, glaubt das Gericht nicht. W. muss 60 Tagessätze zahlen, wegen Betrug und Urkundenfälschung. Ob die anderen Verfahren zur Anklage kommen, ist offen.