Täter im Opfergrab

EUTHANASIE

Euthanasie. Das bedeutet, aus dem Griechischen übersetzt, der „gute“ oder „leichte Tod“. Gemeint ist damit eigentlich das Erlösen eines Menschen von Leid oder Schmerz aus einer empathischen Motivation heraus. Doch das Wort wurde von den Nationalsozialisten missbraucht – und steht seitdem für Mord im Namen der „Rassenhygiene“. 300.000 Patienten von Heil- und Pflegeanstalten in Berlin starben durch Vergasen oder durch das Verabreichen von Medikamenten – veranlasst in der Tiergartenstraße 4, kurz T4.

Neben der Philharmonie erinnert seit Anfang der Woche nun eine blaue Glaswand an diesen grausigen Teil der Geschichte. Es sei höchste Zeit, dass diese Gruppe von Opfern ein eigenes Gedenken erfährt, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bei der Eröffnung.

So weit, so gut. Wäre da nur Herbert Linden nicht. Der Arzt beteiligte sich während des Naziregimes maßgeblich an der Planung und Durchführung der Massenmorde an Kranken und Behinderten. Er nahm sich 1945 das Leben. Das Pikante: Sein Leichnam liegt in der Kriegsgräberstätte auf dem Waldfriedhof Zehlendorf begraben. Dort soll, laut Gräbergesetz, „der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ gedacht und für zukünftige Generationen die Erinnerung daran wachgehalten werden, „welche schrecklichen Folgen Krieg und Gewaltherrschaft haben“.

Linden, das Opfer? Das erscheint mehr als abwegig, steht er doch wie kein anderer für die T4-Gräueltaten. Kein Wunder, dass es gegen seine Grabstätte nun Proteste gibt. Zuständig für Kriegsgräberstätten ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Die ließ via Berliner Zeitung mitteilen: „Eine spätere Aberkennung des Opfergrabstatus ist im Gräbergesetz nicht geregelt.“ Immerhin vor Ort gibt es Bewegung: Das Grab des NS-Verbrechers soll nicht weitergepflegt werden, teilte der Bezirk Steglitz-Zehlendorf mit. Gute Voraussetzungen also, dass bald Gras über die Sache wächst. LISA OPITZ