Neue Hitchcocks aus Fernost

Das asiatische Festival Cineasia hat eine neue Spielstätte – und Geister- und Liebesgeschichten im Angebot

Das 6. Cineasia Filmfestival in Köln will sich vergrößern. Nach Jahren an verschiedenen Spielstätten wie dem Kölner Filmhaus findet das Festival dieses Jahr ausschließlich im Filmforum NRW statt. Und bevor man da nostalgisch wird, sollte man gespannt sein, ob sich dadurch ein noch größeres Publikum erreichen lässt. Denn daran arbeitet Cineasia: ostasiatische Filme aus ihrer Exotenecke herauszuholen. Das Publikum soll die Erkenntnis erlangen, dass Kino in erster Linie gute Geschichten braucht.

Mit dem diesjährigen Schwerpunkt „Japan“ sind auch Produktionen aus Indonesien, Singapur, Malaysia und Thailand zu sehen. Etwa „Crickets“ („Korogi“) des japanischen Regisseurs Shinji Aoyama, in dem eine junge Frau das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihr und ihrem um einiges älteren Lebensgefährten in gewagten Selbstversuchen auf die Spitze treibt. Aoyama („Eureka“) ist bekannt für seine penible Drehbuchausarbeitung in kompliziertesten Beziehungsgeflechten. Mit seinem Leib- und Magenkameramann Masaki Tamura, der auch in Aoyamas neuester Produktion „Sad Vacation“ für die Bilder verantwortlich zeichnet, gelingt es ihm, Geschichte und künstlerische Ausarbeitung im Gleichgewicht zu halten. Um auch einmal Aoyamas krudem Humor Rechnung zu tragen, wird die Hauptrolle von der hinreißenden Kyoka Suzuki gegeben, die Miike-Fans noch aus „Zebraman“ in Erinnerung sein dürfte.

Für alle sich in Erklärungsnot befindenden Fahrradfetischisten sei die ebenfalls japanische Produktion „The bicycle thief was bad“ („Nippon no jitensha dorobo“) von Tadakazu Takahashi empfohlen. Vom etwas wahnwitzig übersetzten englischen Titel darf man sich da wie so oft nicht beirren lassen. In seinem ersten Langspielfilm packt der Regisseur in einer großartigen Kameraarbeit Lebensnöte und auch Ängste in eine christlich angehauchte Geschichte: geradezu ekstatisch stiehlt ein Fabrikarbeiter (Tetta Sujimoto) am laufenden Band herumstehende Fahrräder, um innerhalb von sieben Tagen nicht nur sein Land zu beradeln, sondern atemlos am Schluss zu der Erkenntnis zu gelangen, dass alles Erlebte wenig Sinn macht, wenn es an Menschen fehlt, mit denen man diese Erlebnisse teilen kann. Und so wird ganz nebenbei die Frage angerissen, welchen Stellenwert das Selbsterlebte in einer technisierten Welt hat, die einem nur allzu gerne das Anwesendsein an allen Orten zu allen Zeiten als Maß aller Dinge aufschwatzen will.

Etwas à la Alfred Hitchcock erscheint diesmal der Thailänder Wisit Sasanatieng („Tears of the Black Tiger“) mit seinem Film „The Unseeable“ („Pen choo kab pee“). Seiner Geistergeschichte, inspiriert von den Geschichten des Schriftstellers Hem Wejakorn, haftet auch diesmal die große Ausstattungs- und vor allem Farbverliebtheit an und zu sehen ist ein hinreißendes Dekor aus den 30ern, während dummerweise der Soundtrack doch sehr unnötigerweise die Ohren belastet. So viel sei gesagt, dass eine junge schwangere Frau vor Monaten von ihrem liebenden Gatten verlassen wurde, und diese sich nun nach ihm auf die Suche macht. Als sie an die Pforte eines herrschaftlichen alten Hauses klopft, geführt von einer strengen Haushälterin à la „Rebecca“, ist es mit der erhofften erfolgreichen Suche erst einmal vorbei.

Aber wie wird man eigentlich Filmemacher? Darauf hat sich Nicholas Chee, der auf dem Festival auch anwesend sein wird, mit seinem Film „Becoming Royston“ gleichwohl auch selbst eine Antwort gegeben. In seiner Verehrung des Regisseurs und Photografen Royston Tan, dessen Kurzfilme „D.I.Y.“ und „Monkeylove“ übrigens im Programm zu sehen sind, lässt der Filmemacher aus Singapur vor allem den Zufall eine große Rolle spielen. Und nicht zuletzt auch den Ehrgeiz nahe stehender Personen, die manchmal recht wenig subtil dazu auffordern, in einem bestimmten Alter doch bitte endlich aus vermeintlichen Hobbys einen Beruf zu machen. Da hat man was eigenes.

CLAUDIA SIEFEN

www.cineasia-filmfestival