Die Strukturen sind der Skandal

Schleswig-Holsteins Datenschützer Weichert warnt vor weiteren Grundrechtseinschränkungen durch neue Gesetze. Der Rechtsstaat dürfe sich nicht undemokratische Maßnahmen von terroristischen Straftätern aufzwingen lassen

Vor weiteren Einschränkungen von Grundrechten im Zuge des Kampfes gegen Terrorismus und Kriminalität hat Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert gewarnt. Insbesondere kritisierte er gestern in Kiel eine fortschreitende „Vergeheimdienstlichung“ des Sicherheitsapparates. Würde etwa die vom Bundesinnenministerium geforderte geheime Online-Durchsuchung über so genannte Bundes-Trojaner erlaubt, so wäre dies ein schwerer Schlag gegen die Informationssicherheit, sagte Weichert bei der Vorlage seines Jahresberichtes. Eine solche Überwachung wäre in keiner Weise kontrollierbar.

„Der Rechtsstaat darf sich nicht von terroristischen Straftätern Regeln aufzwingen lassen, die Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Freiheitsrechte beeinträchtigen“, erklärte Weichert. So würde es „System sprengende Wirkung“ haben, wenn Pläne für eine mindestens sechsmonatige Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten umgesetzt werden. Auch Pläne für eine bundesweite Vorratsdatenbank, in der Angaben über die Einkommen aller abhängig Beschäftigten gespeichert werden sollen, rügte Weichert als unverhältnismäßig.

Es sei falsch, von einem Zielkonflikt zwischen Sicherheit und Datenschutz auszugehen, sagte Weichert. So habe Innenminister Ralf Stegner (SPD) versucht, gegen die Datenschützer das verschärfte neue Polizeirecht durchzuboxen. Es enthalte trotz Nachbesserungen immer noch „Grausamkeiten“ und verfassungsrechtlich angreifbare Regelungen. Besonders kritisch will Weichert verfolgen, wie das neue Autokennzeichen-Scanning, die Schleierfahndung und die elektronische Dokumentation polizeilicher Vorgänge gehandhabt werden. Weichert rügte auch das Bildungsministerium, weil es sich bis zuletzt geweigert habe, in seinen Plänen für eine Schülerstatistik die Datenschutz-Anforderungen zu berücksichtigen. Generell sei das Land jedoch kooperativ.

„Beschwerden beziehen sich immer mehr auf Strukturen als auf Einzelfälle“, sagte der oberste Datenschützer des Landes, „Skandale nehmen ab“. Unternehmen und Behörden seien sensibler geworden. Der 175-seitige Bericht listet aber auch gravierende Einzelverstöße gegen den Datenschutz auf. Deutlich nehmen Weichert zufolge Videoaufzeichnungen zum Ausspionieren von Nachbarn zu. Einen Rekord gebe es auch bei Eingaben und Anfragen zur Erfassung von Daten von Hartz IV-Empfängern. DPA