KURZKRITIK: HENNING BLEYL üBER DAS MUSIKFEST-THEATER
: Äußerst sinnliche Synapsen

Hirnforschung ist nicht gerade ein gängiges Theater-Sujet. Und was hat Theater überhaupt im Rahmen des Musikfests Bremen zu suchen? Nun: Es ist nichts weniger als dessen kognitiver Höhepunkt.

Dass das Musikfest zu Gunsten von Peter Brook eine konzeptionelle Ausnahme in Kauf nimmt, indem es mit dem Ausnahme-Theatermacher schon vor drei Jahren eine singuläre Produktions-Achse schmiedete – die nicht nur kammermusikalische Inszenierungen etwa der „Zauberflöte“ beinhaltet, sondern eben auch Hirnfoschungstheater – das ist ein Glücksfall für das hiesige Publikum. Brook, der mittlerweile fast 90-jährige Pionier des Theaters des Leeren Raumes, ist Lehrmeister ganzer Regie-Generationen.

Mit Brook kommen SchauspielerInnen nach Bremen, die man zwar aus Harry Potter-Verfilmungen kennen kann, aber im Stadttheater kaum zu sehen bekommt. So das Ehepaar Kathryn Hunter und Marcello Magni, großartige Mimen, deren ebenso flüssige wie unaufdringliche Verwandlungskunst ihresgleichen sucht. Brook inszeniert sie mit sparsamen Mitteln und reichlich Text, man könnte „The Valley of Astonishment“ geradezu als Wissenschafts-Theater bezeichnen – wenn dabei die große sinnliche Dimension der Darbietung nicht zu kurz käme.

Inhaltlich geht es um Synästhesie, die quervernetzte sinnliche Aufladung abstrakter Chiffren in den Hirnen Hochbegabter – ein scheinbar hochspezielles Phänomene, das jedoch auf die ungeheuren ungenutzten Potentiale der gesammelten Gehirnmasse der Menschheit aufmerksam machen. Ein Musikfest ist dafür durchaus nicht die unpassendste Bühne.