ZURÜCK ZUM BUCH
: Sehhilfen, Suchthilfen

Der Held ist ein cracksüchtiger Literaturagent

Anfangs hatte die Brille oft genervt. Parallele Linien, beim Laptop zum Beispiel, schienen nicht mehr parallel zu sein, manchmal wurde mir schwindlig, und ich überlegte, ob sie möglicherweise falsch eingestellt ist.

Am Abend vor dem Sehtest hatte ich ja gekifft, und Kiffen verändert die Sehschärfe bekanntlich ein bisschen. Vielleicht sollte ich zwei Wochen nichts rauchen und dann noch mal einen Sehtest machen. Das wäre völliger Quatsch, meinte C.; dann siehst du ja gar nichts mehr, wenn du bekifft bist. Manches ist aber auch lustig; wenn man als frischgebackene Brillenschlange wie in einem Witzfilm zwanzig Minuten lang nach der Brille sucht, die direkt neben dem Laptop auf dem Schreibtisch liegt. Außerdem lese ich mit Brille wieder mehr.

Na gut – du liest wieder mehr, weil die neue Wohnung kleiner und konzentrierter ist und weil du wieder mehr auf guten Lesestoffnachschub achtest.

Aber das ist es nicht nur; ich lese ja auch wieder abends im Bett vor dem Einschlafen und merke erst jetzt, dass ich das die letzten Jahre nicht mehr gemacht habe. Und ich hatte das nicht bemerkt, weil der Prozess der Sehverschlechterung so langsam vor sich ging. Der Held des Buchs ist jedenfalls ein cracksüchtiger Literaturagent; das Buch von Bill Clegg heißt „Portrait of an Addict as a Young Man“ und ist ganz gut. Bücher, in denen es um Süchte geht, gefallen mir sowieso meist ganz gut. Zuvor hatte ich „Nikotin“ von Gregor Hens gelesen. In einer Passage beschreibt er die tollen Effekte der ersten Zigaretten nach einer Zeit der Abstinenz. Lustig, dass diese Effekte die gleichen sind wie beim ersten Joint nach einer Pause. Einerseits sind beide Bücher Fachlektüre und Fortbildung – seit zwei Jahren sitze ich ja selbst an einem Buch übers Rauchen –, andererseits ist es so superangenehm zu lesen. Im Grunde genommen gibt es nichts, was auf Dauer schöner ist. DETLEF KUHLBRODT