hamburger szene
: Wenn’s draußen grün wird …

Da war er wieder. Der erste – nun richtige – Hauch von Frühling. Ich hatte mein Sakko angezogen und wusste doch, dass es bereits jetzt, um kurz vor zehn, zu warm sein würde. Und dann traf ich sie. Oder besser: sie trafen mich. Ein Pärchen setzte sich mir im Bus schräg gegenüber. Ich fühlte mich hilflos.

Es ist klischeehaft und man mag es nicht mehr sagen, geschweige denn schreiben. Aber der Frühling treibt die Verliebten von ihren Paralleluniversen auf die Straße, in die Cafés, in die Busse und Bahnen. „Es steigt der Saft in Bäume und auch uns ins Blut“, wie Manfred Krug sang.

Ich wünschte mir eine gelbe Armbinde mit drei schwarzen Punkten. Ich wollte nicht sehen, wie sie ihm den Kaffee vom Mundwinkel wischte und gespielt schimpfte, wie sie die Geräusche nachmachte, die er beim Einschlafen machte (ts, ts, ts), wie sie ihn verträumt und der letzten Nacht nachsinnend ansah. Und auch nicht, wie sie schließlich knutschenderweise übereinander herfielen, sich ineinander verschlangen, zu einem einzigen Körper wurden, den man nicht mehr in Mann und Frau zu unterscheiden vermochte.

Als er dem Mann in der Sitzreihe vor ihm mit dem Ellbogen einen Schlag gegen den Kopf verpasste, hellte sich mein Blick jedoch auf. Die Sonne fiel mir ins Gesicht, ich lächelte und hatte wieder Manfred Krug auf den Lippen: „Wenn’s draußen grün wird, fällt mir nur noch Liebe ein …“ Grün kann ja auch ein Veilchen sein, dichtete ich.MARTIN SPIESS