Bauarbeiter fühlen sich degradiert

Rund 200 Bauarbeiter demonstrieren für 5,5 Prozent mehr Lohn in der Hamburger Hafencity. Nach der Krise wollen sie mehr Geld und sich nicht von anderen Branchen abkoppeln lassen. Die Unternehmer bieten nicht einmal ein Prozent

Die graue und sonst menschenleere Betontreppe am Grasbrookkai in der neuen Hamburger Hafencity war gestern morgen mit Leben erfüllt. Rund 200 BauarbeiterInnen mit roten Jacken und Fahnen hatten sich auf Hamburgs größter Baustelle versammelt. Die Hafencity – Prestigeobjekt der „wachsenden Stadt“ des Hamburger Senats – war Schauplatz der zentralen Kundgebung der Industriegewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt (IG Bau) im Norden.

5,5 Prozent mehr Lohn fordern die BauarbeiterInnen. Sollte es heute in Berlin bei den zentralen Verhandlungen keine Einigung geben, wird die IG Bau die Schlichtung anrufen. „Gibt es dort keine Einigung, gibt es einen Arbeitskampf“, sagte IG Bau Bezirksgeschäftsführer Andreas Suß auf der Versammlung.

Zwölf Jahre lang hat es in der Baubranche gekriselt. Fast die Hälfte aller regulären Jobs sind in der Branche im Norden verloren gegangen. Wenn es Lohnerhöhungen gab, sind diese durch andere Abgaben wie die Versicherung für das Saisonkurzarbeitergeld aufgefressen worden. „Wir haben es lange nicht gewagt, überhaupt etwas zu fordern“, sagt der Hamburger Hochtief-Betriebsrats-Chef Matthias Maurer. Doch jetzt habe sich einiges geändert. Die Auftragsbücher seien prall gefüllt. Wenn die Baufirmen Preissteigerungen an Materialkosten von 30 Prozent an die Bauherren problemlos weitergeben könnten, müssten auch 5,5 Prozent mehr Lohnkosten zu verkraften sein.

Doch die Unternehmer bieten nach drei Verhandlungsrunden nicht einmal ein Prozent. „In allen anderen Branchen wird unter drei Prozent gar nicht diskutiert“, sagt Maurer. „Wir lassen uns nicht weiter abkoppeln.“

Erstmals seit Jahren haben die Bauarbeiter in dieser Tarifrunde wieder eine gute Ausgangsbasis. Denn Fachkräfte werden allerorts dringend gesucht. „Nachdem die osteuropäischen Kollegen jahrelang schamlos ausgenutzt worden sind, sind sie nicht mehr bereit, sich ausbeuten zu lassen“, sagt Maurer. Sie gingen lieber nach England, wo für ihre Arbeit mehr gezahlt werde. Auch viele deutsche Bauarbeiter würden darüber nachdenken, künftig in Skandinavien zu arbeiten.

„Mit diesen lächerlichen Angebot lassen sich die Bauarbeiter nicht zum Kostenbelastungsfaktor degradieren“, sagt Suß. Wer eine wachsende Stadt anstrebe, brauche auch die Bauarbeiter, die sie bauen“, sagt der IG Bau-Gewerkschafter. „Es ist Schluss mit lustig – wir wissen, wo die Baustellen sind, wo es sich lohnt zu streiken.“ KAI VON APPEN