Jukebox

Bryan Ferry als Beziehungsberater

Vielleicht kein Zufall, dass sich dieses schmucke Solowerk des Vorzeigedandys Bryan Ferry im ansonsten eher Liedermacher-geprägten Plattenschrank meiner Mutter finden ließ. „Let’s Stick Together“ heißt das Album, eine Kompilation von zwischen 1973 und 1976 gemachten Aufnahmen, die Ferry ganz ohne Brian Eno und der prätentiös-coolen Supergruppe Roxy Music hingelegt hat. „Let’s Stick Together“ heißt auch der Eingangshit, ein äußerst schmissiger, hinterlistiger Feger, dessen wahre Botschaft sich erst nach genauerer Textanalyse offenbart. Lass uns mal zusammenbleiben, aber nicht weil unsere Liaison so großartig wäre, sondern allein des Kindes wegen: „Consider our child / how can it be happy without its mom and dad?“ Das mag ein Riesenhit im geburtenstarken Prenzlberg sein, ein nicht so großer jedoch in den 70ern, dafür mit einem Comeback Mitte der 80er-Jahre, als Musik für einen Werbekurzfilm eines Billigbekleidungskaufhauses. Für mich der erste bewusste Kontakt zu Ferry. Umso überraschender, dieses groovige Ding im Schrank meiner Mutter zu finden. Allerdings war das Thema Ehe retten wegen der Kinder schon damals angesagt.

„Let’s Stick Together“ ist übrigens nicht von Ferry selbst geschrieben, sondern von Wilbert Harrison. Fremde Songs hat Ferry aber schon immer gesungen, auf der LP hier finden sich u. a. Lieder von Lou Reed und den Everly Brothers, außerdem „It’s Only Love“ von Lennon/McCartney. Allesamt hinreißend und aufwühlend. Daneben gibt es auch eigene Klassiker wie „Casanova“ (Also doch!), „Sea Breezes“ oder „Re-Make/Re-Model“, in ebenfalls spannenden Versionen. Kurz: Man schätzt sich sehr glücklich mit diesem Werk, auch wenn man selbst das Thema des Titelsongs längst abgehakt hat.

Die letzte Platte des großen Stilisten soll ja, glaubt man den Artikeln der Kollegen in den konservativen Blättern, ein Reinfall sein. Ferry singt dort Stücke von Bob Dylan. Nachprüfen lässt sich das schon am Montag, wenn der gute alte Mann im Tempodrom gastiert. RENÉ HAMANN