Mit dem Mikro morden

„Kebab“ an der Schaubühne: Die Freundin verkaufen endet immer schlecht. Erst recht, wenn die Regie zu brav ist

Es ist eine alte Geschichte, die uns die rumänische Dramatikerin Gianina Carbunariu (geboren 1977) in ihrem Stück „Kebab“ erzählt: Drei junge Leute suchen das Glück und finden es nicht. Stattdessen geraten sie in eine Gewaltspirale mit tödlichem Ausgang. Im Märchen wäre die Sache vielleicht gut ausgegangen, bei Rotkäppchen zum Beispiel. Doch Rotkäppchen heißt jetzt Madalina, ist ungefähr siebzehn und trägt eine dicke rote Strickjacke und will Tänzerin werden. Deshalb ist auf dem Weg von Rumänien nach Westeuropa. Im Flugzeug trifft sie den Filmstudenten Bogdan, der in Dublin ein Stipendium hat.

In einer stakkatohaften Szenenfolge lässt Carbunariu die Träume vom Glück schnell platzen. Madalina trägt bald weiße Lackstiefel und wird von ihrem gewalttätigen Freund Voicu zur Prostitution gezwungen. Schließlich macht er aus ihr mit Bogdans Hilfe einen Internetpornostar. Immer schneller dreht sich die Spirale von Gewalt und Abhängigkeit. Jede Szene ein Quantensprung. Nach anderthalb Stunden ist das Mädchen tot. Ermordet von Bogdan, der sie nicht nur im Internet in Szene setzt, sondern auch einen Dokumentarfilm über ihren Abstieg dreht, mit dem ihm der Aufstieg in ein etabliertes Leben gelingt.

Eine kleine, elende Geschichte, die beim Lesen manchmal rührt, weil es eigentlich Kinder sind, die hier am Missverständnis von Freiheit scheitern. Giannina Carbunariu lässt sie zwischendurch immer wieder übermütig in dem Sumpf plantschen, in dem sie am Ende untergehen.

Im Studio der Schaubühne lässt das Stück ziemlich kalt. Enrico Stolzenburg hat es mit streberhaftem Avantgardismus in Szene gesetzt, und ihm so das Leben ausgetrieben. Am Anfang sitzen Lea Draeger (Madalina) und Rafael Stachowiak (Bogdan) wild gestikulierend vor zwei Mikrofonen und spielen „Flugzeug“. Ein Mikrofon wird später auch beim „Blow-Job“ eine Rolle spielen, wenn sich Mady schmatzend daran zu schaffen macht. Am Ende wird es scharrend an ihrem schwangeren Bauch hochfahren, den Bogdan symbolisch damit aufschlitzt. Die Geschichte, die vom immer klaustrophobischer werdenden Abhängigkeits- und Erpressungsverhältnis der drei lebt, bleibt dabei im Ungefähren.

So viel szenische Enthaltsamkeit wäre nicht nötig gewesen. Schon bei Carbunariu passieren die drastischen Dinge zwischen den Szenen. Als Zuschauer erlebt man immer nur in den Gesprächen danach, wie Madalina immer brutaler zum Opfer wird. Lea Draeger spielt sie als irrlichternde Naive. Rafael Stachowiak und David Ruland sind als Bogdan und Voicu viel zu brav, um der Geschichte eine glaubwürdige Fallhöhe zu geben.

ESTHER SLEVOGT

Studio der Schaubühne, wieder am 5. und am 10. 4., um 20 Uhr