Serena-Show mit Statistinnen

TENNIS Verblüffend mühelos gewinnt Serena Williams bei den US Open bereits ihren 18. Grand-Slam-Titel

„Ich wollte diesen Sieg zu oft zu sehr. Hier habe ich den Druck aber abgeschüttelt und weggesiegt“

SERENA WILLIAMS

NEW YORK taz | Wenn die Größte dieser Tenniszeit über ihren machtvollen Siegeshunger spricht, dann schwingt immer auch ein leichter Hauch von Selbstironie mit. Jedes Mal nach einem wichtigen Triumph, sagt Serena Williams, „frage ich mich, wie lange es dauert, bis ich an den nächsten Sieg, ans nächste Turnier denke – und wie lange ich mit mir zufrieden bin“.

Am Sonntagabend, nach ihrem historischen sechsten US Open-Titel und dem 18. Grand Slam-Titel ihrer Karriere, registrierte die Amerikanerin augenzwinkernd eine „erstaunlich lange Zeit“ der Entspannung und des ungetrübten Glücks. Bis sich, etwa drei Stunden nach dem 6:3, 6:3-Endspielsieg gegen ihre dänische Freundin Caroline Wozniacki, schon wieder innere Unruhe bemerkbar machte, bis sich der nie versiegende Ehrgeiz der ewigen Perfektionistin aufs Neue regte: „Ich kann nicht auf der Stelle treten. Ich will immer weiter, immer wieder gewinnen“, sagte Williams, die jenseits der dreißig ihre berührendsten Erfolge feiert.

Weit jedenfalls hat es die jüngere Schwester aus der Williams-Familiendynastie mit dieser Haltung gebracht. So weit sogar, dass sie an diesem 7. September 2014 buchstäblich in einer Reihe mit den Legenden Martina Navratilova und Chris Evert stand – die beiden erbitterten Rivalinnen der 70er und 80er Jahre, selbst jeweils mit 18 Major-Titeln dekoriert, hatten sich als VIP-Glückwunschkomitee auf dem Centre Court des Ashe-Stadions eingefunden, um die „Besonderheit des Augenblicks“ (Navratilova) zu unterstreichen. Und um das neueste Mitglied im 18er Club zu begrüßen, jene fabelhafte Frau Williams, die sich in dieser turbulenten Saison scheinbar alles für den perfekten Moment daheim aufgehoben hatte, für die US Open und New York: Dreimal war sie, mehr oder weniger sensationell, bei den Grand Slams in Melbourne (Achtelfinale), Paris (2. Runde) und Wimbledon (3. Runde) gescheitert, bevor dieser so sehnlichst herbeigewünschte Titel Nummer 18 endlich, endlich gewonnen war. „Ich wollte diesen Sieg zu oft zu sehr. Hier habe ich den Druck aber abgeschüttelt und weggesiegt“, befand die Kalifornierin, die mit 4 Millionen Dollar auch den größten Siegerscheck der Tennisgeschichte einstrich, 3 Millionen Dollar für den US-Open-Titel und 1 Million Dollar Bonus für den Gewinn der Tennis-Sommerserie in Nordamerika.

Man kann über ihre Dominanz der letzten beiden Wochen viele Worte machen, man kann aber auch einfach nur ein paar Zahlen sprechen lassen: 6:3, 6:1, 6:1, 6:0, 6:3, 6:3, 6:3, 6:3, 6:3, 6:2, 6:1, 6:3, 6:3 und 6:3 beispielsweise, das waren die Ergebnisse ihrer sieben New Yorker Spiele mit 14 meist mühelos gewonnenen Sätzen. Gut eine Stunde stand sie dabei jedes Mal auf dem Centre Court, und von der ersten bis zur letzten Runde wirkten ihre Gegnerinnen wie Statisten dieser großen Serena-Show, wie Spielerinnen, die man auf den Platz geschickt hatte, damit überhaupt jemand auf dem Platz stand gegen die Nummer 1. „Sie ist unerreichbar auf ihrem besten Niveau“, sagte Grande Dame Navratilova und prophezeite der Nachfolgerin noch eine Serie von Titeln: „Als Spielerin ist sie viel jünger als ihr Lebensalter.“

Und tatsächlich ist die Ausdauerkraft der 33-Jährigen, die 1999 gegen Martina Hingis bei den US Open ihren ersten großen Titel gewonnen hatte, bemerkenswert. Beide waren sie an diesem New Yorker Finalwochenende im Einsatz, Williams wie Hingis, doch in welch unterschiedlichen Rollen: die Schweizerin Hingis im doch eher beschaulichen Doppelengagement, bei ihrem inzwischen schon dritten Karriereanlauf, eine wiederholt vom Rücktritt zurückgetretene Frau. Und Williams, die Nummer 1 der Tenniswelt, voller Intensität, voller Motivation, voller Lust am Siegen gegen die Stärksten aus der nächsten oder übernächsten Generation. Eine wie keine andere in dieser Epoche, eine, die drauf und dran ist, nun sogar den Grand-Slam-Rekord von Steffi Graf mit 22 Titeln zu brechen.

JÖRG ALLMEROTH