Die Hyper-Handys

Viele Firmen setzen nun auf edle Designer-Handys. Fein. Aber womit kann man eigentlich noch telefonieren?

So sieht also Luxus aus: Ein Silberstreif schmiegt sich eng um die hochgesetzte Empire-Taille. Ein schlichtes „V“ ragt wie ein Diadem in die schwarzmetallene Stirn. Das Display aus Saphirkristall ist in gedecktem Anthrazit gehalten, die Kehrseite mit griffigem Nappa handveredelt. Ein Tastendruck genügt, und der Besitzer des neuen Constellation-Handys der Nokia-Nobelmarke Vertu ist verbunden mit einem Concièrge-Service, der umgehend in 180 Ländern eine exklusive Suite im Four Seasons, einen Bentley oder eine Birkin reserviert.

Bislang musste ein Handy in erster Linie viel können. Wrappen. Simsen. Infrarot-Botschaften empfangen. Herzfrequenzen messen, Kalorien zählen, verlorene Kinder auffinden, verschwundene Expartner orten und mit einem Stromstoß bestrafen, bissige Hunde vertreiben, filmen, fotografieren sowieso und zudem noch im falschen Moment und an der richtigen Stelle ein bisschen vibrieren. Taschenrechner, Armbanduhr, Stadtplan, Laptop, Spiele-Konsole, Wecker, Telefonauskunft, Terminplaner und die eigene Mutter ersetzen? Kein Problem.

Doch jetzt heißt es Tempi passati für das multifunktionale Mini-Telefon. Nun muss ein Handy plötzlich obendrein ebenso viel Style ausstrahlen, genauso reich aussehen wie sein Besitzer. Oder aber das genaue Gegenteil: Statt futuristischer Leuchttasten darf die jüngste Spar-Version eines zukunftsträchtigen Handys ruhig unvorteilhafte dicke Knubbel haben. Wo bei Luxus-Modellen ein Jog-Dial prunkt, sitzt bei diesen Geräten ein simpler Knopf mit zwei Funktionen: An und Aus. Sie hören auf den PIN „0000“ und wurden früher von Nobel-Telefonierern gern als „Brikett“ geschmäht, als „Playmobil-Telefon“, als „tragbare Zelle“.

Doch in letzter Zeit scheint plötzlich die Welt verstanden zu haben, was das wert ist: ein Akku, der ein verlängertes Wochenende auf einer stromlosen Berghütte durchhält. Und ein Empfangsgerät, mit dem man eines richtig gut kann: Einfach nur „mal telefonieren“. Nicht selten werden die Minimaltelefonierer gerade wegen der zuverlässigen Funktionsarmut ihrer prähistorisch anmutenden Exemplare der Gattung „Mobiltelefon“ glühend beneidet.

Niklas Luhmann schrieb, dass ein System mit wachsender Komplexität auch immer anfälliger werde. Die neuen Handys jedoch sind in selbstreferentieller Hinsicht geradezu perfekt. Sie kennen nichts und niemanden außer sich selbst. Und sie definieren wirklich nur ihre ureigenste Systemoperation korrekt: das Erstellen einer Telefonverbindung. JOHANNA SCHMELLER