London schaltet den Sicherheitsrat ein

Im Konflikt um die 15 festgenommenen britischen Marinesoldaten fordert die Regierung Blair eine Erklärung der UNO. Daraufhin verzögert der Iran die angekündigte Freilassung einer Soldatin. Aufnahmen der Gefangenen veröffentlicht

London veranstaltet ein politisches Tamtam

VON BAHMAN NIRUMAND

Im Konflikt mit dem Iran hat Großbritannien den UN-Sicherheitsrat angerufen. Dieser solle in einer Erklärung die sofortige Freilassung der 15 britischen Marinesoldaten fordern, die am Freitag im Persischen Golf festgenommen wurden. Laut dem Textentwurf soll die Festnahme bedauert und darauf hingewiesen werden, dass das Schiff sich in den Hoheitsgewässern des Irak unter einem UNO-Mandat befunden habe.

Entsprechende Satellitenaufnahmen hatte das britische Verteidigungsministerium bereits am Mittwoch der Öffentlichkeit vorgelegt. Inzwischen hat die britische Regierung sämtliche bilaterale Kontakte zum Iran abgebrochen und angekündigt, sich auf diplomatischer Ebene nur noch auf die Freilassung der Soldaten zu konzentrieren.

Am Mittwochabend wurden im iranischen Fernsehen Videoaufnahmen der 15 Soldaten ausgestrahlt. Die Marinesoldatin Faye Turney, die einzige Frau unter den Gefangenen, die ein Kopftuch trug, sagte in einem Interview: „Ich bin am 23. März festgenommen worden. Hiermit erkläre ich eindeutig, dass wir illegal in iranische Gewässer eingedrungen sind.“ In einem Brief, den sie an ihre Eltern schrieb – er wurde am Mittwoch der britischen Botschaft in Teheran übergeben – bedauert sie die Grenzüberschreitung. „Ich wünschte, wir hätten dies nicht getan, dann wäre ich jetzt wieder bei euch zu Hause“, schrieb sie und teilte mit, dass die Iraner sie sehr „gastfreundlich“ und behutsam behandeln würden.

Die Ausstrahlung der Videoaufnahmen hat in London heftige Reaktionen ausgelöst. „Es ist völlig inakzeptabel, unsere Leute auf so eine Art vorzuführen“, sagte der britische Verteidigungsminister Des Browne. Die britische Außenministerin Margaret Beckett äußerte die Befürchtung, die Gefangenen könnten gefoltert worden sein. „Ich bin sehr besorgt über diese Bilder und jedes Anzeichen von Druck oder Folter“, sagte die Ministerin. Auch Premierminister Tony Blairs Sprecher erklärte, niemand dürfe in eine solche Lage gebracht werden. Die Bilder verstießen gegen die Konventionen und gegen die Menschenrechte.

Irans Außenminister Manutschehr Mottaki stellte einen Besuch der britischen Konsularmitarbeiter bei den Soldaten in Aussicht. Wann dies stattfinden könnte, ließ er allerdings offen. Er kündigte auch die baldige Freilassung der Soldatin an. Doch laut Aussagen des Sekretärs des nationalen Sicherheitsrats, Ali Laridschani, habe die britische Entscheidung, den UN-Sicherheitsrat einzuschalten, Iran veranlasst, die beabsichtigte Freilassung zu verschieben. „Wir hatten beschlossen, die Frau freizulassen, aber angesichts des politischen Tamtams, das London veranstaltet, ist dieser Beschluss vorläufig auf Eis gelegt.“

Der Ausschussvorsitzende für nationale Sicherheit und Außenpolitik im iranischen Parlament, Alaeddin Borudjerdi, meinte zu dem Vorfall, Iran werde sich an internationale Vereinbarungen halten und die Gefangenen entsprechend behandeln. Die Briten sollten sich merken, dass die Zeit, in der sie „mit Gewalt ihre Ziele diktieren konnten“, längst vorbei sei. Die Drohung, die Wirtschaftsbeziehungen abzubrechen, werde den Fall zusätzlich komplizieren, sagte Borudjerdi. Reza Talai, ein anderes Ausschussmitglied, äußerte die Vermutung, die Grenzüberschreitung sei eine gezielte „abenteuerliche Provokation“ seitens der Briten gewesen. „Vielleicht wollte man auch testen, wie schnell Iran auf solche Provokationen reagieren würde“, fügte er hinzu. Eine offizielle Entschuldigung und Erläuterung der Gründe, die zu der Grenzüberschreitung geführt hätten, könnten die Lösung des Konflikts erleichtern.

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