HAUS SCHWARZENBERG
: Kein richtiges Kino

„Die Häuser sind voll ranzig“, verzieht sie die Mundwinkel

Kurz vor zehn. Ich bin mit einem Freund am Café Cinema neben den Hackeschen Höfen verabredet. Vor der Rosenthaler Straße 39 eine Gruppe Jugendlicher, die unschlüssig herumstehen. Wie alt werden sie sein? Vierzehn vielleicht. Warum sind sie nicht in der Schule? Sind sie auf Klassenfahrt? Oder schwänzen sie kollektiv und wissen nun nicht, wohin mit ihrer Zeit? „Warum kommt ihr denn nicht? Ich hatte doch gesagt: 20 vor, vor dem Kino!“, vernehme ich plötzlich eine sonore, kräftige Herrenstimme. Das muss der Lehrer sein. Also wohl eher ein Wandertag.

„Wir wussten nicht, ob wir richtig sind“, verteidigt sich einer der Schüler, ein schlaksiger Typ mit blauem Hollister-Sweater. „Da steht doch Central drüber!“, deutet ihr Lehrer, ein jovialer, gemütlicher Typ Ende 40, auf den Schriftzug über dem Tor zum Hof. „Aber da drin stinkt es so“, springt dem Jungen eine Mitschülerin bei. „Die Häuser sind voll alt und voll ranzig“, verzieht eine andere angewidert die Mundwinkel. Die Jugendlichen haben noch kein Verständnis dafür, dass in dieser aseptischen und öden Umgebung des Hackeschen Marktes das Haus Schwarzenberg der letzte Ort ist, an dem man sich noch gern aufhält.

Der Lehrer muss lachen: „Wenn die Häuser alt sind, dann kann das kein Kino sein, oder wie?“ – „Kein richtiges Kino“, schüttelt der Hollister-Junge den Kopf. „Hier passt doch gar kein Kino rein.“ – „Doch, ein kleines“, erklärt ihr Begleiter. „Wie klein denn? Passen wir da überhaupt alle rein?“, will ein anderer Schüler wissen. „Na, nicht alle gleichzeitig. Deswegen schauen wir den Film ja auch nacheinander. Zunächst acht Schüler. Wenn die mit dem Film durch sind, kommen die nächsten acht ran.“ Die Klasse protestiert. Niemand versteht den Witz. „Kommt jetzt!“ Murrend folgen sie ihrem Lehrer in den Hof. Am liebsten würde ich mitkommen. Sehen, wie es weitergeht. Leider bin ich verabredet. STEPHAN SERIN