Oh mein Gott!

Von Brown bis Whisky: Quälendes Gedränge im Gottväter-Olymp

Dem Gottvater des dumpfen Geballers geht das zweimal am Arsch vorbei

Mit James Brown fing alles an. Circa 30 Quarkillionen Mal wurde er „Gottvater des Soul“ genannt – ein Ende der medialen Gottvater-Lawine, die ihre Urheber eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages unter sich begraben wird, ist aber nicht in Sicht. Hier eine kleine, unvollständige Umschau unter den Gottvater-Bataillonen:

Bleiben wir zunächst bei der Musik. Donovan, den „Gottvater des Protestsongs“ (BR-online), kennen noch die Älteren. Leonard Cohen – wer sonst? – ist seit Dekaden der „Gottvater der Düsternis“ (amazon), Michel Sardou „Gottvater der französischen Popmusik“ (hitparade), Steve Stevens der unangefochtene „Gottvater der Flamencogitarre“ (amazon) und Paul Weller der „Gottvater des Britpop“ (SZ). Aber wer kennt eigentlich Oliver Frank, den „Gottvater des deutschen Disko-Fox“ (Radio VHR), Bill Laswell, den „Gottvater des technoiden Globalsounds“ (sfs), Rahzel, den „Gottvater der menschlichen Beatbox“ (björk online), oder gar ARK, den „Gottvater des Stotter-House“ (partysan)?

Im Dunstkreis der Politik gab Franz Josef Strauß den „Gottvater der bayerischen Landespolitik“, Hans-Dietrich Genscher den „Gottvater des Liberalismus“ (ef-magazin) und Joschka Fischer ist wohl auf Lebenszeit „Gottvater der Grünen“ (ZDF), während Albert Wohlstetter, der „Gottvater der entspannungsfeindlichen Schule im Kalten Krieg“ (New York Times), wohl nur den wenigsten bekannt sein dürfte. Das alles geht Brian Ferry, dem „Gottvater des Stils“ (SZ), ebenso wie Walter Röhrl, dem „Gottvater des Rallyesports“ (Stern), ziemlich am Arsch vorbei und John Carmack, dem „Gottvater des dumpfen Geballers“ (FAZ), natürlich gleich zweimal.

„Gottvater der Zeichenlehre“, fast überflüssig zu erwähnen, ist Roland Barthes (SZ), Reinhold Kreile, Generaldirektor der GEMA, hingegen der „Gottvater des Urheberrechts“ (Brand eins). Den „Gottvater des Humors“ erkennen nicht wenige in Fips Asmussen, während Joel Silver knallhart den „Gottvater des Actionkinos“ (amazon) gibt.

Ob Leslie Nielsen, der „Gottvater der Nonsensfilme“ (digitalvd), viel von Noah Gordon hält, dem „Gottvater des historischen Arztromans“ (amazon), darf allerdings bezweifelt werden. Aber dass Bernie Ecclestone, der „Gottvater der Formel 1“ (Spiegel), mit Pronto Salvatore, dem „Gottvater des Hütchenspielens“, und Alvar Aalto, dem „Gottvater des finnischen Designs“, schon manchen draufgemacht hat, ist amtlich verbürgt.

Von Paul Sahner, dem „Gottvater der Intimbeichte“ (taz), wissen wir, dass Joe Weider, der „Gottvater der Muskelmagazine“ (muskelschmiede), Jay Leno, der „Gottvater der Late Night Show“ (bittekunst.de), und Andy Warhol als unvermeidlicher „Gottvater der Popkultur“ (heise.de) sich nie begegnet sind. Wohingegen Gerald Köhler, der „Gottvater des virtuellen Fußball-Managements“ (footage-magazin), ohne Marc Russinowich, den legendären „Gottvater der Windowssystemanalyse“, und Jon Postel, den „Gottvater der Internet-Standards“ (heise.de), wohl ganz nett alt aus der Wäsche schauen würde.

Das alles juckt Henning Mankell, den „Gottvater der Bestsellerlisten“ (taz), ebenso wenig wie Suguya Fukusato, den „Gottvater der Perfektionisten“ (motor-kompakt), oder Garriott, den „Gottvater der Rollenspiele“ (Spiegel).

Über die Modetorheiten eines Levi Strauss, des „Gottvaters der Jeans“ (the-jeans.de), konnte wiederum Professor Doktor Ferdinand Sauerbruch, der „Gottvater der inländischen Chirurgie“ (pharmacon.net) seinerzeit nur milde lächeln. Wobei uns natürlich brennend interessieren würde, wer sich den Ehrentitel „Gottvater der ausländischen Chirurgie“ ans Revers stecken darf. Das alles sind aber Petitessen, die angesichts der gewaltigen Leistungen eines Zdenek Poduska, des sagenumwobenen „Gottvaters des Depron-Jagdflugzeugbaus“, ruhig im Orkus der Geschichte verschwinden dürfen.

Den Wahrheit-Gottvater in Gold darf sich allerdings die SZ-Wochenendbeilage vom 24. Februar 2007 abholen, denn sie hat Gottvater als Erste nicht in einem menschlichen, sondern einem hochprozentigen Wesen gesehen und ihn beim (allzu?) tiefen Blick ins Glas erkannt: Ihr zufolge ist Whisky der „Gottvater aller Drinks“ beziehungsweise der „Gottvater der harten Getränke“. Cheers! RÜDIGER KIND