Touristen für El Salvador

Das mittelamerikanische Land El Salvador will zur touristischen Destination werden. Das Tourismusministerium lockt mit speziellen Angeboten wie Tauchen oder Wellenreiten. Ein Konzept für integrierten, ökologischen Tourismus gibt es nicht

Im kleinen Revolutionsmuseum die Geschichte der Guerilla sehen

VON TOM BEIER

Grüne, bis zu 2.000 Meter hohe, mit Kaffee bewachsene Berge, 300 Kilometer Pazifikstrand mit Kokospalmen, schwarzem Sand und majestätisch dahinziehenden Pelikanen. Maya-Stätten wie Joya de Cerén, das „Pompeji Mittelamerikas“ – eine Ausgrabung von Alltagsgebäuden, die in dieser Form einzigartig ist und erst in den 70ern bei Bauarbeiten unter meterhohen Vulkanascheschichten entdeckt wurde. Eine Vielzahl von Vulkanen, einige davon noch aktiv. Eine quirlig-brodelnde Hauptstadt, die ständig wächst und immer wieder neue Shopping Malls gebiert. Auffallend freundliche, offene Menschen. Auch das ist El Salvador. Bekannt ist es freilich eher durch Gewalt als durch Vulkan-Eruptionen.

War es in den 80er-Jahren der Krieg zwischen der Guerilla FMLN und der Regierungsarmee der superreichen Kaffeebarone, der über 70.000 Menschen das Leben kostete und die taz-Kampagne „Waffen für El Salvador“ auslöste, so sind es heute die nach dem Friedensschluss von 1992 weiter im Land kursierenden Waffen und die trotz aller formal-demokratischen Verbesserungen weiter bestehenden sozialen Widersprüche, die durchschnittlich zum Mord an elf Menschen täglich führen. Keine optimalen Voraussetzungen für erholsamen Urlaub. Und dennoch unternimmt das Land seit kurzem verstärkt Anstrengungen, den Tourismussektor international zu pushen.

Das Nachbarland Guatemala mag da ein Vorbild gewesen sein, das mit seiner reichhaltigen indigenen Kultur seit langem trotz hoher Kriminalitätsraten amerikanische und europäische Touristen anzieht. Aber eine bunt-schillernde Indio-Kultur hat El Salvador nicht zu bieten. Oder Kuba? Die sozialistische Karibikinsel hat in den letzten Jahren den Tourismus zu einer Haupteinnahmequelle gemacht. Aber das kleine El Salvador hat als einziges mittelamerikanisches Land keinen Zugang zum Atlantik und somit auch keine weißen, endlos langen Karibikstrände.

Die geringe Ausdehnung des „Däumlings Mittelamerikas“ hat aber ihre Vorteile. Auf einer Fläche, die gerade einmal der des Bundeslandes Hessen entspricht, kann man in kurzer Zeit von den Vulkanspitzen zur Küste hinabfahren. Den verschiedenen Höhenlagen entsprechen unterschiedliche Klimazonen. Ist es an der Küste tropisch-schwül, so kann es in den Kaffeebergen im Norden und Westen besonders nachts empfindlich kühl werden. Auch wenn die Straßen natürlich nicht immer mitteleuropäischen Standards entsprechen, ist man in etwa zwei Stunden von der Hauptstadt San Salvador auch an den entlegensten Orten im Gebirge oder am Meer. Zudem ist der öffentliche Nahverkehr – er gilt allerdings als nicht sicher – gut ausgebaut und spannt ein dichtes Netz von Buslinien über das Land.

Inzwischen hat das Tourismusministerium auch die Angebote diversifiziert. Durch „sol y playa“ sollen neben den klassischen Strandurlaubern besonders Wellenreiter angezogen werden. Der Pazifik ist windstabil und wellenreich. Auch Tauchbasen wurden eingerichtet. Eine Naturtourismusvariante soll Camper und Bergwanderer in die Nationalparks an den Vulkanen locken. Kanufahren, Rafting und Mountainbiking sind ebenfalls möglich. Daneben werden archäologische und kulturhistorische Reiseschwerpunkte angeboten. Ob das Tourismuskonzept in die richtige Richtung geht, ob die seit 15 Jahren regierende ultrarechte Regierung der passende politische Träger ist, dürfte allerdings mehr als fraglich sein.

Ein Konzept für integrierten, ökologischen Tourismus, von dem die meist verarmte Bevölkerung in größerem Umfang profitieren würde, hat sie nicht. Geschaffen werden lediglich einige touristische Inseln, abgekapselt und nicht speziell darauf ausgerichtet, den Menschen vor Ort Einkommen zu sichern. In El Salvador sind diese touristischen Inseln bislang fast zum alleinigen Nutzen der internationalen Tourismusindustrie und der zwölf reichsten Familien des Landes. Die würden somit nach dem Kaffeeexport, der Sportartikelproduktion für den Weltmarkt (Stichwort Adidas) und dem Bankenwesen einen weiteren, aufstrebenden Wirtschaftssektor kontrollieren.

Dafür ist dieses vom Tourismus noch kaum berührte Kleinod eigentlich zu schön. Wer einmal auf einer Lancha mit Außenborder durch die Mangrovenwälder der Bahia de Jiquilisco gefahren ist, weiß das. Zum Glück gibt es auch alternative Ansätze. Etwa das „Oasis“, ein von Carolina und Damian einfach, aber nett als Minihotel eingerichtetes Wohnhaus in der Hauptstadt San Salvador – mit privatem Patio, einem tropischen Innengarten. Es werden auch Ausflugsreisen nach Wunsch angeboten. Oder das Hotel de Montaña (Berghotel) „Perkin Lenca“ im gebirgigen Nordosten des Landes: kleine komfortable Hütten nebst ansprechendem Restaurant, die von einem US-Solidaritätsaktivisten liebevoll ausgestattet wurden. Recht gehobenes Backpacker-Niveau. Wer will, kann im nahe gelegenen kleinen Revolutionsmuseum die Geschichte des Guerilla-Kampfes nachvollziehen, auf teilweise ausgewiesenen Wegen wandern oder im Rio Sapo baden.

Bleibt zu hoffen, dass solche Ansätze Schule machen und eine neue Regierung diesen Weg eines alternativen, ökologischen Tourismus auch in lokaler oder kommunaler Hand wirklich unterstützt und die Projekte vernetzt.

Reiseinfos in Spanisch und Englisch, offiziell: www.elsalvadorturismo.gob.sv; alternativ: www.oasis .com.sv; www.perkinlenca.com