Kitas in der Kostenfalle

Wird der Krippenausbau fast doppelt so teuer wie bislang vermutet? Seit gestern ist eine neue Debatte entbrannt – auf umstrittenen Grundlagen

„3 Milliarden sind realistisch“, sagt die Grünen-Politikerin Deligöz

VON COSIMA SCHMITT

Die neue Botschaft klingt entmutigend. Der Kitaausbau wird vielleicht sehr viel teurer als bisher angenommen. Drei Tage vor dem „Krippengipfel“ von Bund und Ländern wirft das Handelsblatt eine neue Zahl in eine erhitzte Debatte: Nicht etwa 3 Milliarden, wie von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) bislang verkündet, soll der Ausbau kosten. Die Aufstockung der Plätze für unter Dreijährige auf 750.000 würde vielmehr fast 5,7 Milliarden Euro kosten, schreibt die Zeitung. Sie beruft sich auf eine „Modellrechnung des Familienministeriums“.

Dessen Sprecher wollte die Angabe gegenüber der taz „weder bestätigen noch dementieren“. Zunächst wolle man bei dem Treffen am Montag ermitteln, wie die Lage in den einzelnen Ländern genau sei. Erst dann könne das Ministerium eine verlässliche Rechnung aufstellen. Solche Beschwichtigungsversuche überraschen nicht. Denn wenn der Kitaausbau tatsächlich viel teurer wird als bisher angenommen, wird es schwieriger für von der Leyen, sich gegen Kritiker durchzusetzen. Die Zahl liefert jenen Politikern Zündstoff, die von der Leyen vorwerfen, sie entwerfe Visionen, die gar nicht finanzierbar seien.

Dass verschiedene Modellrechnungen kursieren, liegt aber auch in der Natur der Sache. Denn noch agieren die Politiker mit unterschiedlichen Annahmen. Wie teuer der Kitaausbau wird, hängt davon ab, inwieweit in institutionelle Betreuung investiert wird – also Kinderkrippen geschaffen werden – und inwieweit Tagesmütter herangezogen werden. Es ist nun einmal teurer, ein Kitagebäude zu errichten und ErzieherInnen fest einzustellen, als eine Tagesmutter zu wählen, die nur bei Bedarf arbeitet und die Kleinen in der eigenen Wohnung betreut. Wichtig für die Kostenberechnung ist auch, wie viele der Plätze ganztags angeboten werden.

So ärgern sich denn auch FachpolitikerInnen wie die Grüne Ekin Deligöz, „dass die Leute Zahlen in die Debatte werfen, ohne die Grundlagen ihrer Berechnung offenzulegen“. Sie sei „sehr verwundert“ über die neue 5-Milliarden-Rechnung. „Wir haben ja auch eigene Berechnungen angestellt“, sagte Deligöz der taz. „Demnach sind die 3 Milliarden realistisch, wenn – und davon gehen derzeit alle aus – ein Teil der Plätze in Krippen, ein Teil bei Tagesmüttern und ein Teil in altersgemischten Gruppen angeboten wird.“ Auch SPD-Familienpolitikerin Christel Humme hält die neue Zahl für „aus der Luft gegriffen“. Es gebe ja auch „Demografiegewinne“, sagte sie der taz – also Einsparungen durch die rückläufige Kinderzahl.

Umso gespannter sind nun die Erwartungen an den „Krippengipfel“ am Montag. Noch ist die Lage unübersichtlich. Zwar planen einige Bundesländer einen erheblichen Ausbau. Nordrhein-Westfalen etwa will die Zahl der Plätze in Kitas von derzeit 16.000 auf 34.000 im nächsten Jahr steigern. Baden-Württemberg möchte von heute rund 26.000 auf mindestens 45.000 im Jahr 2010 aufstocken und einen Teil davon durch Tagesmütter erreichen. Damit lägen beide Länder aber immer noch unter der 30-Prozent-Grenze, die von der Leyen anstrebt. Ob sich Ministerin und Länder auf eine Zielmarke einigen, wird auch von einer anderen Frage abhängen: wie weit sich Berlin an den Kosten für die vielen neuen Krippen beteiligen will.