Dem Vergessen entrissen

Gestern wurde in Dresden erstmals in der Bundesrepublik ein Platz nach einem Opfer rassistischer Gewalt benannt. Er liegt unweit der Stelle, an der der Mosambikaner Jorge Gomondai in der Nacht zum Ostersonntag 1991 aus einer fahrenden Straßenbahn gestoßen wurde. Wenige Tage später, am 6. April, erlag er im Krankenhaus seinen Verletzungen.

Das Jahr 1991 war in Ostdeutschland ein Jahr schwerer ausländerfeindlicher Ausschreitungen. Rostock und Hoyerswerda stehen für diese Schande und eben auch der Mord in Dresden, der das Selbstbild der Stadt als beschauliche Idylle erschütterte. Jorge João Gomondai wurde am 27. Dezember 1962 im mosambikanischen Chimoio geboren. Bei seinem Tod war er also erst 28 Jahre alt. Seit 1981 lebte und arbeitete er in Dresden. Er kam als einer der sogenannten Vertragsarbeiter aus seiner Heimat Mosambik in die DDR. Für diese Gastarbeiter hatte der Staat vor allem mit Vietnam und einigen afrikanischen Ländern Arbeitsverträge abgeschlossen.

Der Afrikaner lebte in Dresden, wohnte in einem der Ausländerheime und arbeitete in einer Fleischerei. Wie er starb, wurde nie genau geklärt. Die Polizei ermittelte fast zwei Jahre, war mit dem Fall aber offenbar völlig überfordert. Die Spuren wurden nachlässig gesichert, weil man zunächst von einem Alkoholunfall ausging. Fest steht nur, dass Gomondai von etwa 14 Skinheads in der Straßenbahn zunächst beleidigt und dann angegriffen wurde. Ob das Opfer aus der Bahn gestoßen wurde oder in Panik die Türen des Waggons älterer Bauart selbst öffnete, bleibt unklar und letztlich nebensächlich. Die Straßenbahnfahrerin fand Jorge Gomondai nach einer Notbremsung blutend zwischen den Gleisen.

Auch das Strafmaß für die Täter stieß 1993 auf öffentliche Kritik. Lediglich drei Angeklagte wurden verurteilt, zwei von ihnen zur Bewährung. Der dritter erhielt eine Jugendstrafe von zweieinhalb Jahren. Dresden reagierte mit einer großen Demonstration, der jährlich am „Gomondai-Tag“, dem 6. April, weitere folgten. Größeren Zulauf gab es erst wieder im Vorjahr zum 15. Jahrestag des Mordes. Ausländerrat und Menschrechtsgruppen prangerten aus diesem Anlass immer wieder die schwierige Situation von Migranten und Ausländern in Deutschland an.

Langwierig war auch das Verfahren in der Stadtverwaltung, in dem es darum ging, einem Straßenteil den Namen des Opfers zu geben. Immerhin aber kamen gestern 300 Dresdner zur feierlichen Einweihung. Unter ihnen die Eltern Gomondai und ein Bruder. Sie erklärten, wie wichtig ihnen dieses Zeichen der Versöhnung angesichts der damaligen Tragödie sei. MICHAEL BARTSCH