THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Einfach alles verkaufen, Schluss machen mit der Alltagsödnis und neu anfangen! Wer träumt nicht manchmal davon. Aussteigen aus dem falschen Leben und endlich mit dem richtigen beginnen. Doch tragischerweise ist ja das falsche Leben eigentlich schon das richtige. Unser Leben nämlich. Und so gelingt der Ausstieg meistens nicht. Das war auf dem Theater bei Tschechows „Drei Schwestern“ schon so, die immer „nach Moskau“ wollten, was für sie eben das Synonym für das erträumte Leben war. Das dann aber bekanntlich nicht kam. Und sie gar nichts hatten: weder ein richtiges (das haben sie nämlich vor lauter Träumen vom anderen Leben verpasst) noch ein falsches Leben. Wie wird es den drei Schwestern nun in der Tschechow-Übermalung von René Pollesch „House for sale“ ergehen, die am 10. 9. in der Volksbühne Premiere hat? Ob sie jetzt bessere Chancen haben? Es spielen vier Grandes Dames des Hauses: Bärbel Bolle, Christine Groß, Mira Partecke und Sophie Rois. Die berühmte Pollesch-Soufleuse Tina Pfurr ist selbstredend auch mit von der Partie. (Volksbühne: „House for sale“, Premiere 10. 9., 19.30 Uhr)

Richtiges Leben versus falsches Leben, Schein versus Sein, Arbeiterinteressen versus Aktionärsinteresssen, da die richtige Wahl zu treffen, ist ja auch wirklich schwierig. Man kann im Leben eben nicht alles haben. Doch die deutsche Sozialdemokratie hat immer wieder versucht, Klassenbewusstsein und Renditeerwartung irgendwie zu versöhnen. Nicht erst seit Gerhard Schröder, der als Genosse der Bosse in die (Partei-) Geschichte einging. Vor hundert Jahren hat sich in seiner bösen Komödie auch schon Carl Sternheim über diese sozialdemokratischen Ambitionen lustig gemacht. Unter der Überschrift „Gruppentanz und Klassenkampf“ haben die Recycling- und Samplingspezialisten Tom Kühnel und Jürgen Kuttner das 1915 uraufgeführte Stück jetzt wieder aus der Mottenkiste geholt und mit zeitgenössischem Material angereichert. (Deutsches Theater: „Tabula rasa – Gruppentanz und Klassenkampf“, Premiere: 11. 9., 19.30 Uhr)

Offen bliebe dann noch die Frage nach dem richtigen Sex. Denn damit ist es schwierig geworden, seit wir ständig befürchten müssen, unsere mickrigen Sexversuche und die daran beteiligten Körper könnten den omnipräsenten Hochglanzpornobildern nicht entsprechen. Mit diesem Phänomen befasst sich unter anderem der neue Abend der Regisseurin Yael Ronen, der den Titel „Erotic Crisis“ trägt und der der Frage nachgeht: Wie können wir heute überhaupt noch lieben, geschweige denn Sex haben? (Maxim Gorki Theater: „Erotic Crisis“, Premiere: 13. 9., 19.30 Uhr).