Erst pomadig, dann hektisch

In Nürnberg kassierte Hertha die vierte Niederlage in Folge und ist nun die schlechteste Mannschaft der Rückrunde. Hertha-Manager Dieter Hoeneß will deshalb vorerst keine Fragen mehr beantworten

Herthas Trainer Falko Götz spricht Klartext: „Wir stehen jetzt höllisch unter Druck“

VON JÜRGEN HÖPFL

Manchmal sind wartende Flugzeuge richtig praktisch. „Ich hatte nicht den Eindruck, dass alle wissen, um was es geht“, schimpfte Hertha-Manager Dieter Hoeneß telegen zornig dreinblickend. Sodann hastete er unter Hinweis auf den drängenden Zeitplan davon. Fragen? Heute keine mehr! Nach dem 1:2 der Berliner in Nürnberg, der vierten Niederlage der Herthaner in Folge, wird es ohnehin weitere Fragen für Hoeneß geben. Reichlich Fragen. Lästige Fragen.

Kann sein, dass der Hertha-Manager und seine Mannschaft Antworten darauf dann genauso schuldig bleiben wie am Samstag. Auch Trainer Falko Götz richtete den Blick nach dem verdient verlorenen Auftritt sogleich weg vom Zustandekommen des Resultats – und hin zu den folgenden Aufgaben: „Wir stehen jetzt höllisch unter Druck. Die nächsten drei Spiele werden richtungweisend.“

Psychologie, drittes Semester – und doch ein rhetorischer Anlass zum Nachhaken: Ja, war denn die Partie beim fränkischen Anwärter auf die Uefa-Cup-Teilnahme, den sich die Gäste allmählich abschminken können, nicht richtungweisend genug?

Ganz offensichtlich war sie dies für den schwächsten Bundesligisten der Rückrunde nicht. Als die Herthaner noch nach ihrer Orientierung im mit 45.649 Zuschauern prächtig gefüllten Nürnberger WM-Stadion suchten, hatten die leidenschaftlich und couragiert loslegenden Gastgeber schon für ihren Führungstreffer gesorgt.

Ivan Saenko passte in der dritten Minute eine nette und neue Eckballvariante flach ans Strafraumeck zu Tomas Galasek, der prompt trocken, flach und angeschnitten abzog und Christian Fiedler im Berliner Gehäuse zwar etwas unvorteilhaft aussehen, aber letzten Endes chancenlos zurückließ.

Auch danach rollte die Kugel attraktiv und flott mit enormer Kombinationssicherheit durch die Club-Reihen, derweil die Hertha unverständlich bieder umhertrabte und lange nicht den Weg in die gegnerische Spielhälfte fand. Der wieder genesene Yildiray Bastürk – angeblich in guten Gesprächen mit dem VfB Stuttgart – mühte sich als aktivster und auffälligster Berliner noch nach Kräften. Vor allem Marko Pantelic und Christian Gimenez, die Stürmer der Berliner, zeigten jedoch wenig Angriffsfreude.

Erst nach der Pause sowie der Hereinnahme von Chinedu Ede für Pantelic (59.) änderte sich dies. Zumindest optisch entfachte die Götz-Elf nun den Eindruck, sich angemessen wehren zu wollen. Doch justament während dieser Steigerungsphase raffte sich Ivan Saenko zu einem seiner gefürchteten Solo-Antritte über 50 Meter auf, und im unbeabsichtigten Pingpong mit Pal Dardei landete das Leder bei Marco Engelhardt, der den Club-Vorsprung in der 60. Minute vorentscheidend auf 2:0 ausbaute.

Wie wichtig Saenkos Wuseltat sein sollte, zeigte sich nach dem später doch noch erzielten Anschlusstreffer der Hertha: Es war die wahrscheinlich einzige wirklich mit Herz und Hirn vollbrachte Berliner Offensivleistung des Nachmittags, die Gimenez in der 69. Minute mit rechts auf glänzende, spritzige Vorarbeit von Ede zum 1:2 vollstreckte. Nicht zu spät, um keine plötzlichen Hoffnungen zu wecken, doch zu spät, um die Nürnberger ernsthaft in Gefahr zu versetzen.

„Wer gegen ein so gut eingespieltes, harmonierendes Ensemble wie den Club bestehen möchte“, stellte Falko Götz zu Recht fest, „der darf nicht nur 35 Minuten guten Fußball bieten, sondern muss 90 Minuten auf höherem Niveau dagegenhalten.“

Insofern war der Schlussphase fast ein wenig merkwürdig beizuwohnen: Jenes Team, das zuvor ohne nennenswerten Esprit pomadig sein Pensum abgespult hatte, entwickelte mit einem Mal Hektik wie hernach beim Rückzug ins Flugzeug. Doch auch dass Gimenez hinter Raphael Schäfers Gehäuse einen Ball im Spurt einsammelte und dem Keeper zum Abstoß bereit legte, beeindruckte den Club nicht sonderlich: Allein im Schlussakt war die vom Exherthaner Hans Meyer formierte, derzeit beste Abwehr der Liga nicht mehr zu überwinden.