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: Deeskalierende Kunst am Zaun

Dass die Bundesregierung für den G-8-Gipfel in Heiligendamm „keine Mittel für die kulturelle Kommunikation dieses weltweit wahrgenommen Ereignisses eingeplant“ habe, missfiel Adrienne Goehler auf der von ihr anberaumten Pressekonferenz in Berlin. Zum Glück!, sagt da jeder politisch denkende Mensch. Denn wäre man nicht alarmiert, hätte die Bundesregierung tatsächlich „ihre kulturpolitischen Förderinstrumente zur kulturellen Kommunikation eingesetzt“? Gar um die WM-Kampagne „Zu Gast bei Freunden“ fortzusetzen, wie es sich die Berliner Kultursenatorin a. D. wünscht?

Die Künstlerin Judith Siegmund kündigte auf der Pressekonferenz an, sie werde die Leute in Rostock und Umgebung fragen, was sie von der Globalisierung und deren Verfechtern halten. Wetten, dass sich schnell herausstellt, dass die Gipfelteilnehmer keineswegs zu Gast sind bei Freunden? Selbstverständlich weiß das auch Adrienne Goehler und fordert daher „ein Nachdenken der Politik über das Potenzial von Kunst und ihren Möglichkeiten im Rahmen gesellschaftlich polarisierender Großereignisse“. Selbstverständlich ist es kein Zufall, dass Adrienne Goehler ab dem 24. Mai mit genau einem solchen Programm aus Installationen, Theaterperformances, Workshops und Vorträgen im Stadtraum von Rostock aufwarten kann, das idealerweise „zur Wahrnehmungserweiterung von Globalisierung und zur Deeskalation vor Ort“ beitragen wird.

Was Goehler nicht hat für ihr hochmögendes Projekt „Art Goes Heiligendamm“, ist Geld. Weil eben, zum Glück, die kulturpolitischen Förderinstrumente nicht ausgepackt wurden. Die Not gebar immerhin eine Idee, deren Gewitztheit der deeskalierenden Krankenschwester-Edeltraut-Rolle der Kunst diametral entgegensteht. Warum die Sache nicht mit Mitteln für Kunst am Bau finanzieren? Schließlich ist der 12,5 Millionen teure Zaun, hinter dem die Gipfelteilnehmer Schutz vor ihren Freunden suchen, gewiss eine Baumaßnahme des Gastgebers, „die Gegenstand besonderer öffentlicher Wahrnehmung“ ist, wie es in den Richtlinien für Kunst am Bau heißt.

Es wird nicht leicht sein, damit durchzukommen. Schon weil die Kunst den Zaun nicht erreichen darf und damit die Politik und ihre Protagonisten. Aber „Art Goes Heiligendamm“ verfolgt auch andere Absichten: die „Erweiterung des gesellschaftlichen Resonanzraums der Kunst“ – über die „Verflüssigung der Wahrnehmungs- und Aktionsformen zwischen den Künsten und den sozialen Bewegungen“. Sofern der G-8-Gipfel für Demonstranten und Teilnehmer des Gegengipfels nicht nur Anlass, sondern Ziel ihrer Aktionen und der politische Diskurs womöglich noch eine eigene, eigensinnige Form von Wahrnehmung ist, muss diese Absicht scheitern.

BRIGITTE WERNEBURG