BERLINER SZENE
: Auf dem Land

Er sei kein Nazi mehr, sagt er immer

B. sieht gruselig aus: von oben bis unten tätowiert, auf dem linken Arm steht „Odin“, auf dem rechten „Thor“. Wie er mir erzählt hat, ist über seinem Hintern auch noch ein Hakenkreuz tätowiert, gezeigt hat er es mir zum Glück nicht. Komme ich an seinem grauen dachpappigen Haus vorbei, guckt er meist aus dem Fenster, solange es die Temperaturen zulassen, gerne mit Großrippunterhemd. Natürlich hat Bernd eine Glatze! Und wenn er mal mit seinen Kampfkötern Gassi geht, hat er passend zum Ripphemd die schlabbrige Jogginghose an.

Klar lebt B. nicht in Berlin, sonst hätte ich ihn nie kennengelernt. Bei uns auf dem brandenburgischen Land aber lässt sich der Kontakt mit dieser Spezies nicht vermeiden, hier wohnen zwar auch ein paar ehemalige Berliner Hausbesetzer, aber „die anderen“ lernt man hier halt auch schnell kennen. Nix Kreuzberger Kiez!

Ist aber auch nicht schlimm. Eher ein Vorteil. B. ist eine Horizonterweiterung für mich und ich für ihn. Er sei kein Nazi mehr, sagt er immer. Er wählt schon mal Grün, weil die im Kulturhaus gegenüber doch immer so tolle Sachen machen und ein paar von denen ja bei den lokalen Grünen kandidieren. Aber er gucke keine WM und keine Bundesliga, weil „da spielen ja gar keine Deutschen mehr mit und das heißt doch eigentlich Nationalmannschaft“.

Neulich hat er einen von „den Alternativen“ erwischt, vom Projektehof am anderen Ende der Stadt. Der hat nachts heimlich die Naziplakate an der Straße von den Laternenpfählen runtergeholt. „Wie kann man nur so blöd sein!“, hat B. ihn angemeckert, nachdem er sich von hinten rangeschlichen und ihn erschreckt hat. „Wenn dich jetzt ein Nazi erwischt hätte! Der hätte aber bei dir die Bude aufgeräumt!“

Dann hat B. die Plakate genommen, sie klein gemacht und in die Papiertonne gestopft.

ELKE ECKERT