Vom Nasenhaartrimmen und Katzenfrittieren

LIEDERMACHER Christoph Theussl betreibt ein beliebtes Video-Blog – ein Berliner Label veröffentlicht nun sein Album „Endlich!“

Wer sich dieser Tage mit Christoph Theussl trifft, sollte nicht eitel sein. Oder vorher in den Spiegel gucken. „Ist es okay, wenn ich mitfilme?“, fragt der Mann mit den schwarzen Haaren und dem österreichischen Akzent. Er filmt nämlich zurzeit sein Leben. Seit nunmehr drei Monaten trägt Christoph Theussl eine handtellergroße Videokamera mit sich herum und filmt seinen Alltag. Die glamouröseren Teile wie die Auftritte bei seiner Münchener Lesebühne „Schwabinger Schaumschläger“ genauso wie die privaten (Rasieren, Rechnungen schreiben, Druckertinte wechseln).

Der erste Beitrag ging am 13. Juli online, einen Tag nach dem WM-Finale. „Was ist schlimmer für einen Österreicher, als wenn die Deutschen die Fußball-WM gewinnen?“, sieht man Christoph Theussl morgens im Bad seinen Rasierspiegel fragen. Die Antwort gibt er selbst: „Wenn er ihnen dazu auch noch gratulieren muss, weil sie es wirklich verdient haben.“ Danach trimmt sich der Künstler die Nasenhaare. Saukomisch ist das, „Theussl täglich“ heißt es. Auf YouTube kann man das Videoblog abonnieren. Untertitel: „Anderen geht es auch nicht besser!“

Christoph Theussl wurde 1976 in der Steiermark geboren. Nach der Matura ging er auf die Schauspielschule, nach der Schauspielschule dann ans Burgertheater, wo er in Einar Schleefs „Sportstück“ mitspielte. Nach verschiedenen Sprechtheaterengagements in Österreich und Deutschland hatte Theussl genug von der sogenannten Hochkultur, ging nach Berlin und wurde im Jahr 2000 Mitglied der Künstlergruppe Club Real. Für deren Performances schrieb er seine ersten Lieder.

Heute schreibt Theussl „Liedermacher“ in die Zeile „Beruf“ des Einkommensermittlungsbogens vom Jobcenter in München, wo er mit Freundin und Kind lebt. Das kann man in Folge 10 von „Theussl täglich“ sehen. Was das Videoblog auch dokumentiert, ist das Entstehen von Theussls neuem Album „Endlich!“, das morgen bei Periplaneta Berlin erscheint. „Endlich!“ ist ein Konzeptalbum zum Thema Sterben. Über „steabm, dot und hienig sein“, wie Christoph Theussl sagt. „Die Moritat vom reisenden Kinde“ wird ebenso drauf sein wie das Lied „von den zwei frittierten Katzen“.

In der Tradition seiner Landsmänner Ludwig Hirsch und Georg Kreisler besingt Christoph Theussl das Vergehen in all seinen Facetten, aber weniger verzweifelt als Hirsch und weniger böse als Kreisler.

„Der Tod ist ein Tabu in unserer Gesellschaft“, sagt Christoph Theussl, „genauso wie Geld oder Krankheit oder Alter. Das interessiert mich.“ Deswegen mache er „Theussl täglich“. „Das ist peinlich, das ist blöd, das ist authentisch“, sagt Christoph. Also er sagt „beinliech“ und „audendisch“. Das Alltägliche am Sterben will Theussl besingen, das Normale, das Lächerliche, das Tragikomische. „Wia weadn olle steabm“ heißt eines der schönsten Lieder auf der CD. Ein Begräbnislied zum Mitsingen. LEA STREISAND

■ Christoph Theussl „Endlich!“ (Periplaneta 2014), Release-Party: Freitag, 20 Uhr, Periplaneta, Bornholmer Straße, Prenzlauer Berg