RUDOLF BALMER ZU FRANKREICHS HAUSHALTSDEFIZIT
: Nur Merkel glaubt an Wunder

Es gibt kein Konjunkturwunder für Frankreich. Die Wirtschaft stagniert, die Unternehmen zögern ihre Investitionen hinaus, das Volk murrt. Wie zu erwarten war, bleibt Frankreichs Haushaltsdefizit weit von den mit der EU vereinbarten Sparzielen und der Toleranzgrenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukt entfernt: Bestenfalls 4,4 in diesem Jahr uns 4,3 Prozent im nächsten. Das zugelassene Defizit von 3 Prozent wird langsam zum Fernziel, das laut Finanzminister Michel Sapin für 2017 ins Auge gefasst wird. Er wollte seinen Landsleuten reinen Wein einschenken und den EU-Partnern sagen, was er als realistisch betrachtet.

Damit die wiederholt korrigierten Haushaltsziele erreicht werden können, müsste die Regierung die öffentlichen Ausgaben in den kommenden drei Jahren um wenigstens 50 Milliarden Euro reduzieren, wie Sapin das erneut verspricht. Er kommt damit der Hauptforderung von Kanzlerin Angela Merkel entgegen, die Paris gegenüber einmal mehr auf die Umsetzung der „Strukturreformen“ pocht.

Nichts garantiert aber, dass Frankreich damit aus der Stagnation herauskommt. Im Gegenteil sind immer mehr Franzosen davon überzeugt, dass diese Politik sie erst recht ins Schlamassel führt. Nur der rechtsextreme Front National, der sich den von Europa Enttäuschten als einzige Alternative präsentiert, kann sich die Hände reiben.

Wer wie Merkel alle Versuche, das Wachstum in Frankreich dank einer koordinierten EU-Politik wieder in Schwung zu bringen, abgeblockt hat, ist wenig geeignet, Lehren zu erteilen. Souplesse (Geschmeidigkeit) ist dagegen ein französisches Wort, das in Brüssel immer öfter zu hören ist, weil man zu begreifen beginnt, dass der übereifrige Defizitabbau das Wachstum bremst und schnurstracks in die Deflation führt.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 8