Türkische Regierung kann Internet beliebig sperren

TÜRKEI Das neue Gesetz ermöglicht eine scharfe Überwachung des Internets durch die Behörden

Damit sind die schlimmsten Befürchtungen der Community wahr geworden

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Die türkische Regierung unter Ministerpräsident Ahmet Davutoglu ist gerade mal eine gute Woche im Amt, da zeigt sie schon, was von ihren hehren Demokratieversprechen zu halten ist. Eines der ersten Gesetze das gestern unter ihrer Regie im Parlament verabschiedet wurde, ermöglicht eine rigide staatliche Kontrolle des Internets.

Dass die AKP Regierung schon unter dem früheren Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Tayyip Erdogan das Internet und vor allem die sozialen Medien als gegnerisches Medium begriffen hat, war schon vor einem Jahr während der Gezi-Proteste klar geworden. Da die türkischen Zeitungen und Fernsehanstalten weitgehend der Kontrolle der Regierung unterliegen, waren viele Demonstranten damals auf Twitter und Facebook ausgewichen.

Seit damals versucht die Polizei Twitter und Facebook ebenfalls unter Kontrolle zu bringen. Etliche Twitter Nutzer wurden angeklagt, mit ihren Tweeds zu illegalen Demonstrationen aufgerufen oder die Regierung beleidigt zu haben. Eine richtige Bedrohung für Erdogan wurden die sozialen Medien aber Ende letzten Jahres, als über YouTube etliche abgehörte Telefonate verbreitet wurden, die Erdogan persönlich und mehrere seiner Minister als in schweren Korruptionsfällen verwickelt erschienen ließen. Ministerpräsident Erdogan ließ YouTube und Twitter sperren und kündigte ein Gesetz zur schärferen Kontrolle des Internets an.

Trotz weltweiter Proteste gegen die türkischen Internetsperren ist dieses Gesetz jetzt verabschiedet worden. Es legt fest, dass eine neu gegründete Internetbehörde ab jetzt jede Website, die ihr missfällt, ohne Gerichtsbeschluss sperren lassen kann. Internetanbieter müssen einer Weisung der Internetbehörde, eine Website zu sperren, innerhalb von 4 Stunden nachkommen.

Eine gerichtliche Überprüfung findet erst im Nachhinein statt. Nach der alten Gesetzeslage hatte das Verfassungsgericht die Sperren von Twitter und YouTube immer wieder aufgehoben. Im Gesetz heißt es jetzt, die neue Behörde kann Sperren veranlassen, wenn die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung gefährdet ist. Wann das der Fall ist, definiert sie selbst.

Dazu kommt die Vorratsdatenspeicherung. Die Internetbehörde darf jetzt alle anfallenden Verbindungen für 2 Jahre speichern. Auf richterliche Anordnung können die Daten dann an Polizei und Geheimdienst weiter gegeben werden. Damit sind die schlimmsten Befürchtungen der türkischen Internetcommunity wahr geworden.