Merkel feiert sich als Vorbild für Europa

HAUSHALT Linken-Chef Gregor Gysi rechnet mit der Regierung ab – und droht, eine Straße zu kaufen

Deutschland lebe von der Substanz, warnt Katrin Göring-Eckardt

BERLIN taz | Einmal schaffte es Gregor Gysi am Mittwoch, die Regierungsbank zu erheitern. Gerade hatte sich der Oppositionsführer über Gedankenspiele des Finanzministeriums echauffiert, private Investoren stärker am Straßenbau zu beteiligen und ihnen dafür Mauteinnahmen zu überlassen. Nun drohte er Wolfgang Schäuble (CDU): „Wenn es so kommt, dann werde ich die Straße kaufen, in der Sie wohnen.“ Und wenn der Finanzminister seine neue Anschrift angebe, werde es peinlich: Zum Gysi Nummer 1.

Schäuble schmunzelte. Aber sonst hatten er und seine Kollegen während Gysis Rede wenig zu lachen. Der Linken-Chef eröffnete die Generaldebatte des Bundestags, die einmal im Jahr stattfindet und sich eigentlich um den Haushalt dreht. Traditionell wird sie aber zweckentfremdet: von der Koalition, um ihre eigene Politik mal so richtig zu loben. Und von der Opposition, um sie möglichst harsch zu kritisieren. So aufgedreht wie Gysi am Mittwoch rechnete aber selten ein Politiker mit der Regierung ab.

In Wiesbaden dürfen die USA ein neues Abhörzentrum bauen? „Ohne No-Spy-Abkommen sollte dort nicht die NSA einziehen, sondern die Volkssolidarität!“, forderte er und wechselte prompt zum nächsten Thema. Die Kosten fürs Mittagessen bei der Kinderbetreuung: zu teuer. Die Sanktionen gegen Russland: schaden der Wirtschaft. Die Bankenrettung: ein Aufbauprogramm für die AfD.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ging im Anschluss nicht auf Gysis Auftritt ein. Die Feierstimmung wollte sich die Regierung vom Linken-Chef offenbar nicht kaputt machen lassen, immerhin sieht der neue Haushalt zum ersten Mal seit 1969 keine neuen Schulden vor. „Das ist der beste Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Darauf können wir stolz sein“, sagte Merkel. An der Sparsamkeit solle sich auch Europa ein Beispiel nehmen. „Wir sehen an Beispielen wie Spanien, dass Haushaltsdisziplin und Reformen wirken.“ Die EU-Kommission habe zu Recht gewarnt, dass eine Abkehr von den Reformen für die Krisenstaaten die größte Gefahr darstelle.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt mochte in den Jubel über die schwarze Null im Haushalt nicht einstimmen. Das Finanzministerium leihe sich zwar kein Geld von den Banken. Dafür gehe der neue Haushalt auf Kosten der Krankenkassen, der Rentenversicherung und unterlassener Zukunftsinvestitionen. Weil Mehreinnahmen nicht investiert würden, lebe Deutschland mehr und mehr von der Substanz. „Was für ein Land überlassen wir den zukünftigen Generationen?“, frage Göring-Eckardt. „Mit Generationengerechtigkeit hat dieser Haushalt nichts zu tun. TOBIAS SCHULZE