Alle wollen Betreuung, niemand dafür zahlen

Die Nord-Länder und der Krippengipfel: Bremen zeigt auf die Ost-Länder, Niedersachsens Kommunen fühlen sich finanziell zu klamm, um 100 Millionen Euro zusätzlich zu wuppen. Schleswig-Holstein will für alle Kinder Geld vom Bund

Alle wollen mehr Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren: Wie die zu finanzieren sind, darüber stritten sich gestern Landes- und Kommunalpolitiker mit dem Bund auf dem „Krippengipfel“ in Berlin. Bremens stellvertretender Regierungschef Thomas Röwekamp (CDU) attackierte die ostdeutschen Länder. „Solidarität ist keine Einbahnstraße“, sagte der Mann, der in sechs Wochen Bremer Bürgermeister werden will. Die „ostdeutschen Kollegen“ hätten doch bereits ein vergleichsweise gutes Betreuungsangebot und dürften daher nicht auf Bundeshilfe pochen. Man müsse nach 16 Jahren Einheit auch mal an ein Förderprogramm für den Westen denken können, meinte Röwekamp. Die Betreuungsquote an der Weser liegt derzeit bei etwas unter zehn Prozent, in ostdeutschen Bundesländern ist sie vier Mal so hoch.

Auch in Niedersachsen gibt es Streit um die Finanzierung: „Ich sehe die Gemeinden flächendeckend nicht in der Lage, 100 Millionen Euro jährlich für diese Sache auszugeben“, sagte der Präsident der niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Rainer Timmermann. Diese Summe hatte Kultusminister Bernd Busemann (CDU) am Wochenende ins Spiel gebracht, als er ankündigte, für die Aufstockung der Krippenplätze von derzeit 22.300 auf 60.000 bis 2013 seien 300 Millionen Euro nötig. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) will die Kosten zwischen Bund, Ländern und Kommunen dritteln. Letztere, so Timmermann, „können null zusätzlich aufbringen, wenn wir es mit der Entschuldung ernst meinen“. Er sei skeptisch, dass die Gemeinden das „wuppen“ könnten. In Niedersachsen hat derzeit etwa jedes zehnte Kind unter drei Jahren einen Krippenplatz.

Eine Sprecherin des Landkreistages vertrat die Position der CDU-Bundestagsfraktion, als sie sagte, zunächst müsse ermittelt werden, wie hoch überhaupt der Bedarf in Niedersachsen sei. „Regional ist die Kinderbetreuung sehr unterschiedlich.“

Versöhnliche Töne schlug Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) an: Sie verlangte vom Bund eine klare Zusage über seine finanzielle Beteiligung – und zwar in Form eines Sockelbetrags für alle Kinder. Dann würden auch die Ostländer nicht leer ausgehen. Im hohen Norden gab es im vergangenen Jahr Krippenplätze für etwa 5.500 Kleinkinder, das entspricht einem Versorgungsgrad von 7,6 Prozent. In Hamburg liegt die Quote bei gut 20 Prozent. taz

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