Überfall auf Farbigen bleibt ungeklärt

Ein 56-jähriger Mann aus Burundi wird nach eigenen Aussagen in der S-Bahn zwischen Berlin und Hennigsdorf zusammengeschlagen. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund wird nicht ausgeschlossen. Der Staatsschutz ermittelt

„Hennigsdorf hat eine lange rechtsextreme Tradition“, berichtet Judith Porath vom Verein Opferperspektive

Gestern war auf allen Seiten Vorsicht angesagt: Man wolle keinen Spekulationen vorgreifen, sagte der Neuruppiner Oberstaatsanwalt Jürgen Schiermeyer. Und auch Judith Poraht von der Opferperspektive Brandenburg hält sich mit Mutmaßungen zurück. „Wir haben noch keinen Kontakt zu dem Opfer aufnehmen können.“ Vorher werde daher auch sie sich kein Urteil erlauben.

Auch drei Tage nachdem ein 56-jähriger Mann aus Burundi in der S-Bahn zwischen Berlin und Hennigsdorf offenbar brutal zusammengeschlagen wurde, ist den Ermittlern nichts über die Hintergründe bekannt. Nach Angaben der Neuruppiner Staatsanwaltschaft ist der 56-Jährige am Samstagmorgen in einer Hennigsdorfer Bäckerei schlafend aufgefunden worden. Die herbeigerufenen Polizisten hatten zunächst gedacht, der Mann sei bloß betrunken, und ließen ihn in ein Krankenhaus einliefern. Weil sie zu diesem Zeitpunkt keine Verletzungen feststellen konnten, kam ihnen nicht in den Sinn, dass es sich um eine Straftat handeln könnte.

Erst am Samstagabend teilten die Ärzte der Polizei mit, dass dem Mann schwere Kopfverletzungen zugefügt worden sind. Zwar schwebe er nicht mehr in Lebensgefahr, so Oberstaatsanwalt Schiermeyer. Wegen der Schädelbrüche musste der 56-Jährige jedoch in eine Berliner Klinik verlegt werden.

Auch über den Verletzten ist bislang nur wenig bekannt. Am Sonntagvormittag konnte er zwar erstmals vernommen werden, wegen seines miserablen gesundheitlichen Zustands war das Verhör jedoch nur von kurzer Dauer: Er kommt aus Burundi, verfügt über eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und lebt in Berlin. Seinen Aussagen zufolge ist er in der S-Bahn von mehreren Personen zusammengeschlagen worden. Über die Täter konnte er nichts Näheres sagen. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, war er auch gestern weitgehend vernehmungsunfähig. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen und sucht Zeugen.

Der aktuelle Fall weckt düstere Erinnerungen an den Potsdamer Übergriff vor einem Jahr. Zwei mutmaßliche Neonazis hatten damals in der Nacht zum Ostersonntag den dunkelhäutigen Ermyas S. bewusstlos geschlagen und lebensgefährlich verletzt. M. lag mehrere Wochen im Koma. Bis heute konnte den Verdächtigen die Tat nicht nachgewiesen werden. Der Prozess läuft noch.

Auch Hennigsdorf ist keineswegs unbefleckt. „Die Stadt hat eine lange rechtsextreme Tradition“, sagte Judith Porath von der Brandenburger Opferberatung. Zwar sei es in den vergangenen Jahren zu keinen größeren Übergriffen mehr gekommen, BewohnerInnen eines dortigen Asylbewerberheims berichten jedoch von regelmäßigen Pöbeleien. Auch wenn sie bloß verbaler Art seien, so Porath, „schüchtern sie ein“. FELIX LEE