Schmettermärchen

Die Besten Europas: Volleyballer vom VfB Friedrichshafen gewinnen zum ersten Mal die Champions League

BERLIN taz ■ Wenn hierzulande über Volleyball gesprochen wird, gibt es nur einen Namen: Stelian Moculescu. Fast 40 Titel hat Moculescu seit seiner Flucht aus Rumänien bei den Olympischen Spielen 1972 in München als Spieler, Spielertrainer und Trainer eingesammelt, ein großer internationaler Triumph war dem Mann, der die deutsche Nationalmannschaft sowie den Serienmeister VfB Friedrichshafen trainiert, allerdings bislang nicht vergönnt.

Seit Sonntag sieht das anders aus: Der VfB Friedrichshafen hat sich in Moskau die europäische Krone aufgesetzt. Im Finale der Champions League schlugen die Friedrichshafener vor 14.000 Zuschauern im „Hodynskoye Pole“ das favorisierte Team von Tours VB (Frankreich) mit 3:1 und sicherten sich damit den wichtigsten Vereinstitel des Kontinents. Als der Matchball zu Boden gefallen war, vollführte der 56-jährige Moculescu den Diver in angedeuteter Klinsmann-Manier, bevor ihn der Betreuerstab des VfB unter sich begrub. Moculescu krönte sein zehnjähriges Wirken bei einem Klub, den er mit sieben Meisterschaften und neun Pokalsiegen vom ewigen Zweiten zum unumschränkten Branchenführer gepusht hat. In seiner Wahlheimat huldigen sie Moculescu wie einem Heilsbringer. Nun werden sie ihn in Bronze gießen und seine Statue am Ufer des Bodensees aufstellen.

Nachdem das lange Streben nach einer internationalen Trophäe endlich ein triumphales Ende gefunden hatte, sprach Moculescu bewegt: „So etwas hat es in Deutschland noch nicht gegeben.“ Friedrichshafen agierte beim Halbfinale gegen Macerata und gegen Tours wie im Rausch und verfolgte das große Ziel auch bei Rückschlägen mit beeindruckender Konsequenz. Herausragend war dabei Diagonalangreifer Jochen Schöps, der zum wertvollsten Spieler gewählt wurde und längst die Begehrlichkeiten der reichen italienischen Klubs geweckt hat. „Wir haben die beste Mannschaft Europas, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen“, frohlockte Thorsten Endres, Geschäftsführer der Deutschen Volleyball-Liga (DVL).

Bei ihrem sensationellen Durchmarsch hatten die Überflieger vom Bodensee die italienischen Spitzenteams aus Treviso und Macerata ausgeschaltet, die viel mehr Geld in ihr Personal investieren als die Deutschen. Während die Superstars aus Brasilien den Weg nach Südeuropa finden, muss sich Moculescu mit weitgehend namenlosen Profis und ambitionierten Talenten behelfen. Deshalb mutet der Gewinn der Champions League ähnlich märchenhaft an, als würde Energie Cottbus AC Mailand, Real Madrid und Chelsea London besiegen. Daher wertete Werner von Moltke, Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV), den Triumph von Moskau als Meilenstein: „Dieser Titel bringt uns bei unseren Bemühungen, uns international prominenter zu positionieren, unheimlich weit nach vorn“, sagte er, „man nimmt uns in Europa jetzt ganz anders wahr.“

Auch Endres ließ sich vom Friedrichshafener Parforceritt mitreißen. „Sensationell“, sagte der 30-Jährige, „was diese Jungs für ihren Verein und für Volleyball in Deutschland geleistet haben.“ Tatsächlich ist es Moculescus Männern gelungen, die Gilde der Schmetterkünstler zumindest vorübergehend aus dem Schatten ins Licht der Öffentlichkeit zu führen: ARD und ZDF berichteten ausführlich über das Champions-League-Finale. Für Endres bedeuten TV-Zeiten an prominenten Sendeplätzen „kleine Schritte, die wir gehen müssen, um peu à peu nach vorn zu kommen“. Die Athleten seien weiterhin gefordert, „denn nur wenn wir dauerhaft solche sportlichen Erfolge erzielen wie hier in Moskau, können wir mit der Vermarktung nachziehen.“

FELIX MEININGHAUS