Schulen melden mehr Gewalt

STATISTIK Zahl der schweren Delikte von 221 auf 317 gestiegen. Expertengruppe soll Ursachen klären

Bei Jüngeren ist die Abgrenzung von altersgemäßen Rangeleien zu einfacher Körperverletzung schwierig

Die Zahlen, die der CDU-Politiker Christoph de Vries in dieser Woche durch eine Senatsanfrage in die Hände bekam, sind auf den ersten Blick alarmierend. Demnach meldeten Hamburgs Schulen im gerade zu Ende gegangenen Schuljahr 317 Gewaltvorfälle der „Kategorie I“, darunter fallen gefährliche Körperverletzung (77-mal), Raub- und Erpressung (66-mal) und Sexualdelikte (36-mal). Das sind fast ein Drittel mehr als in den drei Jahren davor, wo diese Zahl um die Zweihundert schwankte.

Noch stärker stiegen die Meldungen der weniger schweren Vorfälle der „Kategorie II“ wie Diebstahl, einfache Körperverletzung (wie Tritte und Schubsen) und schwere Beleidigung: von 1.103 im Vorjahr auf 1.908. Die Gewalt auf den Schulhöfen sei „förmlich explodiert“, sagt de Vries. Dies füge sich nahtlos in das Bild „steigender Straftaten und sinkender Polizeipräsenz“, läutet er den Wahlkampf ein.

Schulsenator Ties Rabe (SPD) zeigt sich gewappnet und beruft eine „Expertengruppe“ ein, die Ursachen klären und Vorschläge machen soll. Wer dabei sein wird, sei „noch in Klärung“, sagt sein Sprecher Peter Albrecht.

Es sei nicht klar, ob es sich um einen Anstieg handelt oder ob mehr Schulen Vorgefallenes melden, statt es ohne Meldung zu regeln. „Wir hatten den Druck auf die Schulen, das ernst zu nehmen, noch mal erhöht“, sagt Albrecht. Nun habe sich der Anteil der Schulen, die Meldungen schicken, von 32 auf 70 Prozent erhöht. Die Schulen hätten eine „Kultur des Hinschauens“ entwickelt und reagierten sensibler und konsequenter, sagt Rabe. Er nehme die Zahlen „sehr erst“.

Doch zugleich falle ihm auf, dass von Lehrer zu Lehrer sehr unterschiedliche Maßstäbe dafür angelegt würden, was ein Gewaltvorfall ist. So prüfte die Behörde eine Stichprobe von 65 Meldungen gefährlicher Körperverletzung. Nur in 44 Fällen habe auch die Polizei diesen Tatvorwurf bestätigt. Rabe: „Insbesondere bei jüngeren Schülern ist es schwierig, altersgemäße Rangeleien von einfacher Körperverletzung abzugrenzen.“

Eine Gruppe von Präventionsexperten sowie Vertretern der Schulen und der Polizei soll klären, wie solche „Abgrenzungsprobleme“ zu lösen sind. Laut wissenschaftlichen Studien, darauf weist die Behörde hin, geht die Jugendgewalt stetig zurück.

CDU-Politiker de Vries wirft Rabe nun „Verharmlosung“ vor. Die Idee, Gewaltmeldungen nicht zu zählen, weil sie sich durch die Polizei nicht bestätigen, sei „absurd“. Er unterstellt der Schul- und der Innenbehörde, sie führten Gespräche, wie sie die „Statistik künftig frisieren können“.  KAIJA KUTTER