: Syrer trotzen der Repression
„TAG DES ZORNS“ Trotz der Gewalt der Armee lässt sich die Oppositionsbewegung nicht einschüchtern. Die Muslimbruderschaft unterstützt die Demonstranten
VON SEIF AL-SHISHAKLI UND ANDREAS ZUMACH
Für den Freitag hatten verschiedene Internetseiten zum „Tag des Zorns“ und somit zu erneuten Protesten in ganz Syrien aufgerufen. Durch das gewaltsame Vorgehen der Armee in den vergangenen Wochen hatte die Protestbewegung bereits mindestens 453 Tote zu beklagen. Doch ließ sie sich gestern davon so wenig einschüchtern wie von den Panzern, die rings um Damaskus aufgefahren waren. Landesweit gingen mehrere zehntausend Menschen auf die Straße, um den Sturz des Regimes zu fordern. Aus dem Damaszener Vorort Douma, der schon zuvor Schauplatz von Gewalt war, wurden Großdemonstrationen gemeldet. Erneut ging die Armee mit Scharfschützen und Tränengas dagegen vor. Alle Telefon- und Internetleitungen in Damaskus wurden gekappt.
In Deraa sollen mindestens 16 Menschen erschossen worden sein, meldeten am Abend Menschenrechtsaktivisten aus der südsyrischen Stadt. In der hauptsächlich von Alawiten bewohnten Küstenstadt Latakia waren Panzer aufgefahren, um die „staatliche Sicherheit“ zu gewährleisten, wie das Informationsministerium verlauten ließ.
Die syrische Muslimbruderschaft, die seit dem Massaker von Hama 1982 als offiziell nicht mehr existent galt, meldete sich mit einem islamisch korrekten und religionsübergreifenden Aufruf zu weiteren Protesten zu Wort. Die Vorgehensweise des Regimes wurde als „Genozid“ verurteilt, gegen den es aufzustehen gelte.
Das Informationsministerium zeigte sich erneut unbeeindruckt von den Protesten und erklärte, die panarabischen Satellitensender al-Dschasira und al-Arabia würden gezielt Fehlinformationen und manipulierte Bilder verbreiten sowie unglaubwürdige Augenzeugenberichte von syrischen Flüchtlingen zeigen, die es in den Libanon geschafft hätten.
Unterdessen nahm eine Sondersitzung des UNO-Menschenrechtsrats in Genf gestern Abend eine Resolution zur Verurteilung des Assad-Regimes mit deutlichen Abstrichen an. Gegen den von den USA eingebrachten und von allen westlichen Ratsstaaten sowie Japan, Australien und Südkorea unterstützten Resolutionsentwurf hatten sich die von Pakistan geführte Organisation der Islamischen Staaten und fast alle afrikanischen und asiatischen Länder sowie Russland, China und Kuba ausgesprochen; die Arabische Liga und die Türkei legten sich zunächst nicht fest. Daraufhin fand ein Entwurf, der nur von „angeblichen“ Menschenrechtsverletzungen sprach und keine sofortige Entsendung einer Untersuchungskommission mehr forderte, eine Mehrheit.
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