Eine Stelle für alle Beschwerden

Wer sich diskriminiert fühlt, hat künftig zentrale Ansprechpartner. Die Antidiskriminierungsstelle des Senats bündelt verstreute Anlaufstellen, lotst Benachteiligte zu Hilfsangeboten und soll aufklären

VON MATTHIAS LOHRE

Bei Heidi Knake-Werner wäre Tocotronic an der richtigen Adresse gewesen. Die Hamburger Band sang vor Jahren „Wir sind gekommen, um uns zu beschweren“, und dafür bietet die Integrations- und Sozialsenatorin von der Linkspartei die passende Beschwerdestelle. Gestern erhielt die Antidiskriminierungsstelle per Senatsbeschluss den offiziellen Segen. In den kommenden Tagen nimmt sie ihre Arbeit auf. Wer sich sexuell, ethnisch, religiös oder wegen einer Behinderung benachteiligt fühlt, soll hier erste Hilfe erhalten.

Die anfangs fünf Mitarbeiter leiten die Anfragen an Beratungsstellen in den Bezirken weiter. Für die Senatorin ist die neue Stelle mehr als die Bündelung bestehender Arbeitsplätze aus mehreren Verwaltungen unter ihrem Dach: „Ich bin mir sicher, es gibt in dieser Stadt viele Menschen, die sich diskriminiert fühlen, aber nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen“, sagte Knake-Werner. Bislang verfügt Berlin über verstreute Ansprechpartner: einen Gleichstellungsbeauftragten, einen Behindertenbeauftragten, den Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Migrations- beziehungsweise Ausländerbeauftragte der Bezirke. Hauptanliegen der Senatorin ist es daher, „das Ganze ein bisschen zu professionalisieren“.

Künftig bleibt einzig für Fragen zu geschlechtsspezifischen Benachteiligungen die Verwaltung von Frauensenator Harald Wolf (Linkspartei) zuständig. Mit der „Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung“ setzt Berlin die Vorgaben des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) des Bundes um (siehe Kasten). Im Koalitionsvertrag einigten sich SPD und Linkspartei im Herbst zudem auf die Schaffung der Anlaufstelle in der jetzigen Form.

Die Antidiskriminierungsstelle wird nach dem Willen des Senats nicht nur Betroffene über die neuen Möglichkeiten aufklären, die sich aus dem AGG ergeben. Zudem sollen die Mitarbeiter Weiterbildungen in den Landes- und Bezirksverwaltungen leiten, Politiker beraten und auf mögliche Folgen von Gesetzesvorhaben aufmerksam machen. In drei bis vier Wochen soll der dazugehörige Internetauftritt freigeschaltet werden, Broschüren werden laut Knake-Werner derzeit erarbeitet. Zentrale Servicetelefonnummern gibt es bislang nicht. Bis es so weit ist, können sich Interessierte über die zentrale Nummer der Sozialverwaltung mit ihren Mitarbeitern verbinden lassen: (0 30) 90 28-0.

Auch für Beschwerden über Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Lebensweisen ist die neue Zentralstelle zuständig. „Die Sorge in der Community, dass diese Form der Diskriminierung jetzt weniger Beachtung findet“, sagte Knake-Werner, „ist aber unbegründet.“

Das Grundproblem jedes Antidiskriminierungsgesetzes kann aber auch die Senatorin nicht lösen: Was lässt sich strafrechtlich verfolgen, und was müssen Menschen hinnehmen? Knake-Werner gab gestern zu: „Es ist sehr schwierig, einen Diskriminierungstatbestand einzuschätzen. Das ist ja sehr subjektiv.“ Aber eines sei klar: „Wenn die Stadt nicht barrierefrei ist, dann ist das eine strukturelle Benachteiligung.“