Diamant aus Totenasche – nicht ohne den Willen des Verstorbenen

Gerichtsentscheidung in Hessen entfacht neue Debatte über das restriktive deutsche Bestattungsrecht. Grüne fordern eine kontrollierte Aufhebung des Friedhofszwangs

BERLIN taz ■ Das Wiesbadener Amtsgericht hat der Tochter eines Verstorbenen untersagt, die Asche ihres Vaters zu einem Diamanten pressen zu lassen. Damit gab das Gericht der Mutter des Toten recht, die das Vorhaben ihrer Enkeltochter gestoppt hatte. Die 19-Jährige will die Asche ihres Vaters in der Schweiz zu einem künstlichen Diamanten verarbeiten lassen. Das ist grundsätzlich erlaubt, auch wenn das Verfahren in Deutschland selbst nicht durchgeführt werden darf. Maßgeblich ist im Zweifel der Wille des Verstorbenen, der im vorliegenden Fall aber strittig war. Der Anwalt der jungen Frau kündigte noch im Gerichtssaal an, beim Landgericht in Berufung zu gehen.

In der Beurteilung des Beschlusses gehen die Meinungen auseinander. Zwar möchte sich die katholische Kirche im Bistum Limburg, zu dem Wiesbaden gehört, nicht direkt zu Gerichtsurteilen äußern. Dennoch gibt es für den Bistumssprecher „eine klare Haltung der katholischen Kirche, dass das Pressen eines Diamanten aus der Asche eines Verstorbenen in deutlichem Widerspruch zur christlichen Erinnerungskultur steht“. Entgegen anderen Möglichkeiten der Bestattung präferiert die katholische Kirche die Erdbestattung auf einem Friedhof, „um eine Stätte der Erinnerung zu bieten“. Durch das Verarbeiten der Asche zu einem Diamanten werde „der Tod privatisiert und der Verstorbene dem öffentlichen Gedenken entzogen“.

Pragmatischer äußert sich Ilka Petersen, Pressesprecherin des Bestattungsunternehmens Grieneisen. Die Firma bietet seit 2005 die Herstellung von Trauerdiamanten an. Für Petersen steht fest, dass „jeder so Frieden finden soll, wie er es sich wünscht“. Bei einem Herstellungspreis von knapp 4.000 bis zu 14.000 Euro für einen Diamanten nebenbei auch ein lohnendes Geschäft. Streit wie vor dem Frankfurter Amtsgericht wäre für Petersen durch eine Bestattungsvorsorge leicht zu vermeiden. Ähnlich einer Patientenverfügung können Menschen vor ihrem Tod erklären, in welcher Form sie bestattet werden möchten. Bei Grieneisen, dem größten deutschen Bestattungsunternehmen, wird aber pro Jahr nur ein rundes Dutzend solcher Erklärungen abgegeben.

Grundsätzliche Kritik an der Regelung, dass Bestattungen nur auf einem Friedhof stattfinden dürfen, äußerten die Grünen. Der innenpolitische Sprecher der hessischen Landtagsfraktion, Jürgen Frömmrich, verwies auf die „Notwendigkeit, das Bestattungsgesetz zu reformieren“. Der in Deutschland geltende Friedhofszwang verhindert, dass – anders als beispielsweise in den USA oder den Niederlanden – die Urne mit der Asche des Toten als Andenken bei den Hinterbliebenen aufbewahrt werden darf. Für Frömmrich würde eine unkontrollierte Aufhebung des Friedhofszwanges dazu führen, dass „viele sagen würden: Ich will Oma auf dem Kaminsims haben, tatsächlich jedoch auf eine billige Entsorgungsmöglichkeit hoffen.“

Anders als die katholische Kirche betonte Frömmrich, die Entscheidung über die Bestattung müsse beim Verstorbenen liegen. Insbesondere Muslime würden oft in ihrem Heimatland bestattet, da die Erdbestattung mit geschlossenem Sargdeckel ihren religiösen Vorstellungen widerspreche. Auch deshalb ist sich Frömming sicher: Wenn aus dem Testament ein eindeutiger Wille hervorgehe, solle dieser Wunsch gewürdigt werden – „egal, ob nun als Diamant oder per Weltraumbestattung“. TIEMO RINK