Kitaausbau nur mit Billigkrippen

Fachleute rufen nach besser ausgebildeten Erziehern, kleineren Gruppen und längeren Öffnungszeiten. Das bringt die Familienministerin in ein Dilemma: Je teurer die neuen Betreuungsplätze werden, desto schwerer sind sie durchzusetzen

VON COSIMA SCHMITT

Die Ziele sind umrissen. Jetzt geht es ums Geld. Am Tag nach dem Krippengipfel, an dem sich die Länderminister hinter die Kitapläne Ursula von der Leyens stellten, ist eine Frage ins Zentrum des Interesses gerückt: Was werden die vielen neuen Krippen kosten?

Bei ihrem Treffen am Montag haben Jugendminister und Kommunen ein klares Ziel abgesteckt: Bis 2013 soll eine halbe Million neuer Betreuungsplätze entstehen. Jedes dritte Kind unter drei Jahren könnte dann untergebracht werden. Die Kosten soll teilweise der Bund tragen. Ein genaues Finanzierungskonzept will Bundesfamilienministerin von der Leyen (CDU) Mitte April vorlegen.

Noch allerdings streiten die Politiker, wie viel Geld benötigt wird. „Drei Milliarden Euro jährlich“, sagt die Familienministerin. „Mindestens vier Milliarden Euro“, kontern Städtevertreter. Zwischenzeitlich war sogar von fünf Milliarden Euro die Rede. Direkt nach Ostern soll sich eine Arbeitsgruppe zusammensetzen, um die Differenzen zu klären.

Dass es so schwer ist, die Kosten des Kitaausbaus zu beziffern, hat indes auch inhaltliche Gründe. Denn der finanzielle Aufwand hängt davon ab, wie weit die Politiker auch die Qualität der Kitas verbessern wollen.

Richtig teuer wird es, wenn die Politiker sich der Meinung vieler Experten anschließen, die eine bessere Ausbildung der ErzieherInnen fordern. „Die Bedürfnisse eines Kleinkindes sind sehr komplex. Diese Lebensphase ist enorm wichtig für die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung“, sagte etwa Paula Honkanen-Schoberth, Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, der taz. Sie hält es daher für angemessen, das Personal an Hochschulen auszubilden. Nur dann könnten auch schwierige oder sozial benachteiligte Kinder optimal gefördert werden.

Wichtig für das Kostenkalkül ist aber auch die Frage, wie viele der Plätze durch Tagesmütter abgedeckt werden. Von der Leyen plant, ein Drittel des Solls auf diese Art zu erreichen. Immerhin haben Tagesmütter aus Politikersicht einen entscheidenden Vorteil: Sie sind günstig. Sie arbeiten in den eigenen vier Wänden, werden nur bei Bedarf beschäftigt. Laut der Rechnung des Ministeriums kostet ein Kitaplatz pro Jahr 8.881 Euro – ein Platz bei einer Tagesmutter nur 5.471 Euro.

Zudem sind Tagesmütter bei Eltern beliebt, wie die Kinderbetreuungsstudie des Deutschen Jugendinstituts zeigt: Eltern bringen Kinder unter einem Jahr bevorzugt bei einer Tagesmutter unter, ergab die repräsentative Umfrage. Erst für Kinder ab zwei Jahren ziehen Eltern entschieden eine Krippe vor. Kritiker allerdings bemängeln, dass eine Tagesmutter über keine fundierte Ausbildung verfügt. Das kollidiert mit dem Anspruch, kleine Kinder optimal zu fördern. Kinderschützerin Honkanen-Schoberth etwa fordert, dass „auch bei Tagesmüttern die Qualität erhöht wird“.

Dass ein Nachdenken über Standards nötig ist, lässt sich auch aus den Elternaussagen ablesen. Laut der Studie des Jugendinstituts sind zwar die allermeisten Eltern zufrieden mit der Betreuung, die ihr Kind in der Kita erfährt. Kritik gibt es aber an zwei Punkten: Die Gruppen sind den Eltern zu groß und die Öffnungszeiten nicht ausreichend. Die Forscher folgern aus ihren Daten, dass eine gute Kita nicht nur ganztags geöffnet sein muss, sondern auch flexibler reagieren sollte – etwa damit die Mutter kurzfristig einen Abendtermin wahrnehmen kann.

Zur Diskussion steht auch das Zahlenverhältnis von Kindern und ErzieherInnen. Die EU empfiehlt, dass sich ein Erzieher um höchstens acht Kinder kümmern sollte. In vielen deutschen Krippen aber betreut ein Erwachsener bis zu zwölf Kinder. Ganz anders ist die Lage im vielgepriesenen Finnland. Hier liegt das Verhältnis bei eins zu vier.

Von der Leyen steckt also in einem Dilemma. Wenn die Kitas so ausgebaut werden, dass Eltern dort gerne ihre Kinder hingeben und Mütter sich dem Job widmen können, wird das teuer. Je teurer aber der Kitaausbau wird, umso schwerer ist es, ihn auch wirklich durchzusetzen. Von der Leyen möchte den Krippenausbau, wie sie gestern versicherte, auch aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanzieren. Sie sei überzeugt, dass Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) „eine starke Bereitschaft“ habe, das mitzutragen. Doch noch steht von der Leyen mit ihren Beteuerungen recht alleine da.