„Klimaschützer, zieht vor Gericht!“

JOYEETA GUPTA, 42, Professorin für Klimarecht an der Universität Amsterdam, erforscht, wie Gerichtsprozesse das Klima retten können.

taz: Frau Gupta, der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat entschieden, dass die US-Umweltbehörde den CO 2 -Ausstoß von Autos regulieren muss. Überrascht Sie das?

Joyeeta Gupta: Ja, absolut. Die unteren Gerichte haben den Fall ja immer abgelehnt. Und von den Obersten Richtern, die ja vor allem von Republikanern eingesetzt worden sind, hätte man eigentlich erwartet, dass sie die Regierung Bush unterstützen.

Was bedeutet das Urteil für Umweltschützer in den USA?

Es wird ihnen sehr helfen. Wahrscheinlich wird es eine große Klagewelle geben, um die US-Regierung weiter unter Druck zu setzen. Jetzt müssen sich auch die unteren Gerichte an das neue Urteil halten.

Aber die Entscheidung betrifft doch nur die CO 2 -Emissionen von Autos.

Auf den ersten Blick schon. Aber wenn die US-Umweltbehörde erst einmal die Auto-Emissionen regulieren muss, dann wird es schwer für sie, andere CO2-Verschmutzer wie Kraftwerke nicht zu regulieren. Irgendwann wird CO2-Ausstoß zumindest indirekt als Luftverschmutzung gelten.

In Kalifornien verklagt die Regierung Schwarzenegger gerade die Autoindustrie auf Schadensersatz wegen der CO 2 -Verschmutzung. Was bedeutet das Urteil aus Washington für diesen Fall?

Es gibt natürlich Rückenwind. Jetzt dürfte das kalifornische Gericht noch einen Schritt weiter gehen. Das wird sehr aufregend für uns Klimaschützer.

Betroffen sind ja vor allem die USA. Wie sieht es mit anderen Ländern aus?

In Ländern mit dem gleichen Rechtssystem wird das Urteil die Position der Klimaschützer stärken. Zum Beispiel in Indien. Die indischen Gerichte sind bereits heute sehr aktiv. Sie versuchen, das Nichtstun des Parlaments auszugleichen. In Neu Delhi sind schon viele NGOs wegen der starken Luftverschmutzung vor Gericht gezogen und waren dabei sehr erfolgreich. Dort müssen jetzt alle Busse mit Erdgas fahren und alle Autos die Euro2-Abgasnorm erfüllen.

Aber dabei geht es doch zunächst mal um Luftverschmutzung und nicht um CO2.

Klar. Aber weniger Luftverschmutzung heißt meist auch weniger CO2-Ausstoß. Außerdem wird auch die CO2-Emission bereits als Argument vor Gericht verwendet. In Nigeria haben lokale Gemeinschaften die Ölunternehmen verklagt, die dort durch das Abfackeln von Gas mehr CO2 produzieren als das ganze südliche Afrika zusammen. Die Chancen stehen gut, dass die nigerianischen Gerichte dieses Abfackeln bald stoppen werden.

Bei all den Erfolgen – würden Sie es Klimaschützern empfehlen, öfter mal vor Gericht zu ziehen?

Unbedingt. Das ist der entscheidende Weg, Regierungen unter Druck zu setzen, die das Klima nicht freiwillig schützen wollen. Wenn eine Regierung politisch nichts tut, dann ziehen die NGOs halt vor Gericht. Nationale Gerichte sind sehr stark. Da lässt sich oft mehr erreichen als auf internationaler Ebene.

INTERVIEW: NIKOLAI FICHTNER