„Ein Architektenpaar am Werk“

Vor dem heutigen Viertelfinalspiel im UEFA-Cup gegen den holländischen Club AZ Alkmaar erklärt Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Allofs das Prinzip Werder: Solidität und gutes Scouting. Auch die etwaige Wechselfreiheit bringt den Sportmanager nicht aus seiner schon fast legendären Ruhe

KLAUS ALLOFS, 50, spielte Fußball in Düsseldorf, Köln, Marseille, Bordeaux und bei Werder Bremen, wo er seit 1999 im Vorstand sitzt

taz: Herr Allofs, Sie werden oft als „Architekt des Kaders“ von Werder Bremen bezeichnet. Mögen Sie die Bezeichnung?Klaus Allofs: Ja, der Begriff Architekt ist ja nicht negativ belastet. Aber am Kader arbeitet eigentlich ein Architektenpaar: Das sind Trainer Thomas Schaaf und ich. Dabei ist es nicht so, dass man am Reißbrett etwas entwickelt. Das hat viel mit Erfahrung zu tun und damit, dass man sich Spieler und Spiele anschaut.

Wie groß ist Ihr Stab im Bereich Scouting?

Wir haben im Profibereich zwei hauptamtliche Scouts. Für das Nachwuchs-Leistungszentrum haben wir noch einen weiteren hauptamtlichen Scout. Dann sind noch die beiden Co-Trainer und der Torwarttrainer, der Trainer selbst und ich im Einsatz. Darüber hinaus hat man auch Kontaktpersonen, die man punktuell einsetzen kann. Weil es sich manchmal nicht lohnt, für ein Vereinsspiel zum Beispiel nach Südamerika zu fliegen.

Welche Eigenschaften muss ein Spieler jenseits seiner sportlichen Fähigkeiten haben, damit er zu Werder passt?

Thomas Schaaf und ich haben da eine ähnliche Denkweise. Wir haben ja auch drei Jahre zusammen gespielt. Davon ist man geprägt worden, dahingehend, dass wir Spieler suchen, die teamfähig sind. Die begreifen, dass bei allem Star-Kult, den es inzwischen gibt, die Interessen der Mannschaft im Vordergrund stehen. Außerdem geht es darum, dass Spieler lernwillig sind und bereit, Erfahrungen weiterzugeben. Dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Spieler, die einerseits diszipliniert sind, auf der anderen Seite aber auch über Kreativität verfügen. Da spielen ganz viele Aspekte rein und selten werden alle von einem Spieler erfüllt.

Wenn Sie sich mit Bayern-Manager Uli Hoeneß an einen Tisch setzen und über Kriterien sprechen würden, die eine gute Mannschaft ausmachen, würden Sie da mit ihm übereinstimmen?

Ja, das wäre ziemlich deckungsgleich, weil Uli Hoeneß auch aus dem aktiven Fußball kommt. Die Unterschiede liegen dann hinterher in der Beurteilung: Ob man zu dem Schluss kommt, dass es ein Spieler hat oder eben nicht hat.

Wird Werder eines Tages auch wirtschaftlich zu den Bayern aufschließen können?

Nicht in der Zeit, die man im Profi-Fußball absehen kann, und das sind die nächsten fünf Jahre. Vorausgesetzt, es geschehen keine außergewöhnlichen Dinge. Wenn jetzt natürlich jemand kommt und sagt: Ich möchte 49 Prozent vom Verein übernehmen, dafür bekommt ihr sehr, sehr viel Geld, dann könnte sich das ändern. Aber was unsere Rahmenbedingungen in Bremen anbelangt, übrigens nicht nur im Vergleich mit München, so wird Werder da immer limitiert sein.

Wodurch sind die begrenzt?

Wir haben ein kleineres Stadion, auch wenn wir das noch ausbauen wollen. Und wir haben ein anderes wirtschaftliches Umfeld - München ist eine Millionenstadt, eine Wirtschaftsmetropole. Was die Möglichkeiten der Unterstützung angeht, ist der FC Bayern ganz anders gesegnet als wir hier in Bremen. Es wäre naiv zu denken, man könnte das mit einigen Jahren sportlichen Erfolgs ausgleichen. Wir können unsere Arbeit nicht auf so eine breite Basis wie die Bayern stellen. Da sind wir Realisten. Aber wir gehen unseren Weg mit unseren Mitteln.

Welche Mittel sind das?

Wir haben häufig Spieler verpflichtet, die in anderen Clubs nicht so gut zurechtgekommen sind. Wir gehen dann das Risiko ein, weil wir von ihren Fähigkeiten überzeugt sind und glauben, sie werden sich bei uns verbessern. Ich denke da an Diego und Fabian Ernst. Bei Bayern München kann man das nicht so machen, weil die sagen: Wir sind Marktführer und wir holen natürlich das Beste vom Besten. Was aber nicht immer das Beste vom Besten sein muss. Außerdem machen wir den Weg in die Profi-Mannschaft durchlässig und holen aus unserem Nachwuchs-Leistungszentrum und aus unserer zweiten Mannschaft neue Leute dazu. Aber wir wollen auch in der Lage sein, Stars zu verpflichten, fertige Spieler.

Planen Sie bei Ihren Entscheidungen für die kommende Saison schon mit Champions League-Einnahmen?

Nein. Das gehört auch zu den Prinzipien bei Werder Bremen, dass man nur mit dem Geld plant, das sicher ist – das beeinflusst schon unsere Transferpolitik. Dementsprechend würden wir momentan niemals so eine Planung machen – weil derzeit vier Mannschaften in der Lage sind, die ersten beiden Plätze zu belegen oder den dritten für die Qualifikation. Man gibt bei Werder nur das Geld aus, das man auch zur Verfügung hat.

Da handelt Werder ja ganz anders als die Hansestadt Bremen.

Wenn sie damit meinen, dass wir keine Schulden haben, dann ist das sicher richtig, aber auch nicht wirklich vergleichbar. Natürlich könnten wir es auch anders machen, aber wir sind in den letzten Jahren sehr gut damit gefahren.

In Hamburg wurden kürzlich wieder die Namensrechte für das ehemalige HSV-Stadion für viele Millionen verkauft. Wie lange wird Werder am Namen „Weser-Stadion“ festhalten?

Auf der einen Seite haben wir natürlich die Tradition im Sinn, auf der anderen Seite müssen wir aber auch sehen, dass wir wirtschaftlich konkurrenzfähig bleiben. Ich glaube aber nicht, dass sich da in unmittelbarer Zukunft etwas tun wird. Wir würden das nicht verändern, um, sagen wir mal, einen Spieler mehr zu verpflichten. Wenn es keinen anderen Ausweg, zum Beispiel auch bei der Finanzierung des Stadionausbaus gibt, kann es sein, dass man diesen Weg wählt. Aber im Moment sind wir finanziell ganz gut aufgestellt.

Viel Wirbel gibt es derzeit um den Fifa-Artikel 17, nach dem Spieler nach drei Jahren Vertragslaufzeit ins Ausland wechseln dürfen. Wird der Artikel 17 das Transfer-Geschäft umkrempeln?

Nein. Das ist ein Artikel, der seit 2001 in dieser Form Bestand hat, aber erst jetzt in der Öffentlichkeit Beachtung findet. Der Artikel ist darauf ausgelegt, dass man Spielern, die aus irgendwelchen Gründen in ihren Clubs nicht zum Einsatz kommen, eine Möglichkeit gibt, wieder ihre Arbeit ausüben zu können. Sie sollen wechseln können, ohne dass sie von der Entscheidung des Clubs abhängig sind, wie hoch die Ablösesumme ist. Das war mal der Grundgedanke. Aber der Gedanke war nicht, dass man einem Spieler noch bessere Verdienstmöglichkeiten bieten möchte, indem der Spieler einen Vierjahresvertrag unterschreibt und nach zwei Jahren sagen kann: Das war’s. So sieht das auch die DFL, die ganz klar sagt: Wir gehen davon aus, dass da das deutsche Arbeitsrecht greift, was diese Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung nicht vorsieht.

Können Sie da sicher sein?

Dass man nie zu 100 Prozent auf der sicheren Seite ist, hat man im Fall Bosman gesehen. Die Entwicklung hat damals keiner vorausgesehen. Aber ich glaube, dass man sowohl bei der FIFA als auch der UEFA erkannt hat, welche Probleme da auf die Clubs zukommen können. Und dass man entsprechend handeln wird – selbst wenn die Gerichte anders entscheiden sollten, was ich mir nicht vorstellen kann. Das Arbeitsrecht ist da ganz auf der Seite der Clubs und es ist ein Verbandsrecht, das die Sache in Frage stellt, aber nicht ganz klärt.