„Wir wollen Teil des Kiezes sein“

KUNSTBRÄU In der ehemaligen Kindl-Brauerei eröffnet ein neuer Kunstort. Kurator Andreas Fiedler über nette Nachbarn, hohe Räume und lange Ausstellungen

■ 49, Kurator und Kunstkritiker aus der Schweiz, ist künstlerischer Direktor des Kindl-Zentrums für Zeitgenössische Kunst in Neukölln.

INTERVIEW NINA APIN

taz: Herr Fiedler, das Kindl soll ein Ort für zeitgenössische Kunst sein. Modernes zwischen Braukesseln – passt das ästhetisch zusammen?

Andreas Fiedler: Das passt sogar hervorragend. Als Burkhard Varnholt und Salome Grisard mir 2012 dieses Gebäudeensemble zeigten, das sie in Berlin erworben hatten, war ich begeistert von diesem Bau. Kuratorisch bieten sich hier großartige Herausforderungen: Das Kesselhaus ist ein gigantischer, 20 Meter hoher Würfel. Das Maschinenhaus hat drei Etagen und bietet insgesamt 1.200 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Und das Sudhaus mit seinen glänzenden Sudpfannen ist ein atemberaubender Raum – hier soll ein Café entstehen.

Sie eröffnen am Wochenende nur das Kesselhaus, mit einer Arbeit des Schweizer Bildhauers Roman Signer. Warum nur diesen Raum?

Ursprünglich war die zeitgleiche Eröffnung dreier Ausstellungen geplant. Die aufwendigen Umbauarbeiten verlangen aber mehr Zeit. Mir war trotzdem wichtig, Kindl als Ort zu eröffnen, wenn auch in Etappen. Im Sommer 2015 werden wir hoffentlich Vollbetrieb haben. Dann wird auch das Maschinenhaus mit seinen drei Ausstellungsetagen eröffnen. Darin sollen jeweils eine monografische und eine thematische Ausstellung zu sehen sein. Es wird künftig also immer drei Gründe geben, das Kindl zu besuchen.

Wie wollen Sie aus dem großen Angebot an zeitgenössischen Kunstorten in Berlin hervorstechen?

Wir wollen nicht nur Ausstellungsort sein, sondern auch ein Ort der Produktion und des kontinuierlichen Nachdenkens über zeitgenössische Kunst. Im Turm planen wir Büros, ein Fotolabor und Ateliers. Und mit meiner kuratorischen Arbeit möchte ich der Atemlosigkeit im Kunstbetrieb etwas entgegensetzen: Die Einzelarbeiten im Kesselhaus sollen jeweils neun Monate zu sehen sein, die Wechselausstellungen im Maschinenhaus vier Monate – also recht lange. Wie das Publikum darauf reagiert, wird man sehen. Mit der Veranstaltungsreihe „Gäste“ haben wir bereits im Baustellenbetrieb die Resonanz des Publikums getestet. Das Interesse war überwältigend!

Auch aus der Nachbarschaft? Immerhin sitzen Sie mit Ihrer Kunst hier mitten im Rollbergviertel, einem urbanen Brennpunkt …

Es ist erstaunlich, wie oft ich gefragt wurde, ob Neukölln der richtige Ort für zeitgenössische Kunst ist. Ich habe unsere Nachbarschaft bisher als sehr vielfältig und lebendig kennengelernt. Natürlich gibt es Problemfelder in Neukölln, mit denen wir uns auseinandersetzen wollen. Wir wollen bewusst Teil des Kiezes sein. Mit lokalen Initiativen wie 48 Stunden Neukölln etwa sind wir eng verbunden, auch zu anderen Nachbarn haben wir bereits guten Kontakt. Wir fühlen uns hier sehr willkommen.

Das Züricher Sammler-Ehepaar Burkhard Varnholt und Salome Grisard hat die Immobilie gekauft und Sie als künstlerischen Leiter engagiert. Haben Sie eigentlich freie Hand bei Ihren Entscheidungen?

Ja, das war die Voraussetzung. Das Kindl sollte bewusst kein Sammlermuseum werden. Mein kleines Team und ich können selbstständig ein Profil für diesen Ort entwickeln. Wir haben noch viel wunderbare Arbeit vor uns!