Sri Lankas Armee greift „Sea Tigers“ an

Eine Großoffensive der Regierung gegen die tamilischen Rebellen wird erwartet. 160.000 Menschen auf der Flucht

WIEN taz ■ Mit schweren Luftangriffen auf Marinestützpunkte der LTTE hat die sri-lankische Armee gestern eine Offensive gegen die tamilische Rebellenorganisation eröffnet. Ein Armeesprecher erklärte gestern, die logistische Basis der sogenannten „Sea Tigers“ sei zerstört worden. Kampfflieger hatten ein Gebäude mehrere Kilometer landeinwärts in Muluaitivu bombardiert und dabei Treibstofftanks zur Explosion gebracht. Die Piloten hätten dort mehrere der gefürchteten Schnellboote der Tiger-Marine in Flammen aufgehen gesehen.

Die LTTE meldete den Angriff auch. Allerdings habe es sich um eine Werkstatt gehandelt, wo eine NGO Prothesen für Minenopfer herstellt. Zwei Zivilisten seien durch den Luftangriff ums Leben gekommen.

Die Kämpfe, die sich an der Ostküste um die Stadt Batticaloa und in der LTTE-verwalteten Provinz Vanni im Norden konzentrieren, haben eine neue Flüchtlingswelle ausgelöst. Seit Jahresbeginn wurden 160.000 Menschen, größtenteils Tamilen, aus ihren Dörfern vertrieben und leben unter teils verheerenden Verhältnissen in Lagern und Notunterkünften.

Dass eigentlich seit fünf Jahren Waffenstillstand herrscht, ist derzeit in Sri Lanka nicht zu bemerken. Letzte Woche hatte die LTTE erstmals eigene Flugzeuge gegen die Luftwaffe der Armee eingesetzt. Allgemein rechnet man nun mit einer militärischen Großoffensive der Regierung.

Das wundert Vinayagamoorthi Muralitharan überhaupt nicht. Der als Oberst Karuna bekannte LTTE-Dissident wirft seinen ehemaligen Kameraden vor, nie eine politische Lösung des Konflikts angestrebt zu haben. Friedensverhandlungen mit der Regierung hätten rein taktische Motive gehabt. Karuna wechselte vor drei Jahren mit seinen Truppen die Seiten und bekämpft jetzt die LTTE und deren Basis. Viele der rund 4.000 Toten der letzten anderthalb Jahre gehen auf sein Konto.

In einem Interview mit dem britischen Rundfunksender BBC unternimmt Karuna eine PR-Offensive. Darin greift er nicht nur den LTTE-Chef Velupillai Prabakharan vehement an, sondern versucht auch, sich und seine Leute von Vorwürfen reinzuwaschen, Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Prabakharan, der 52-jährige Oberkommandierende der Tamil Tigers, habe seinerzeit in Friedensgespräche mit der Regierung nur eingewilligt, um Zeit zu gewinnen und seine Truppen hochzurüsten.

In dem viel beachteten Gespräch mit dem BBC-Reporter bestritt Karuna, dass er mit seinen Leuten als paramilitärischer Arm der sri-lankischen Armee agiere. Dieser Vorwurf wird nicht nur von der LTTE erhoben. Auch unabhängige Journalisten und Beobachter der skandinavischen Monitoring Mission haben bestätigt, dass die Karuna-Truppen unter dem Schutz der Armee operieren.

Karuna stammt aus einem kleinen tamilischen Dorf in der Nähe der östlichen Hafenstadt Batticaloa. Dort erzählen ehemalige Lokalpolitiker, der Bruch mit der LTTE-Spitze hätte weniger politische Gründe gehabt, als persönliche. Die damalige Regierung hätte dem Kommandanten geholfen, die LTTE-Kriegskasse der Ostregion zu plündern und die Millionen außer Landes zu bringen. Von der Zielvorstellung eines eigenen Tamilenstaates hat sich der Dissident längst verabschiedet. RALF LEONHARD