„Den Stalinismus aussieben“

VORTRAG Zum 90. Geburtstag Wolfgang Leonhards referiert Martin Rooney und zeigt einen Film

■ 62, freier Autor, Übersetzer, Erwachsenenbildner und Mitglied des Bremer Literaturkontors

taz: Herr Rooney, was ist das Besondere an Wolfgang Leonhards Geschichte?

Martin Rooney: Er lebte seit 1935 im Moskauer Exil. Nach Kriegsende ging er als Dozent für wissenschaftlichen Kommunismus in die DDR. 1949 floh er über Jugoslawien in die Bundesrepublik.

Wieso floh er?

Er hatte mit dem Stalinismus gebrochen. Der emanzipatorischen Theorie des Marxismus wollte er treu bleiben, aber den Stalinismus aussieben.

Arbeitete er nur wissenschaftlich oder war er politisch aktiv?

Anfang der 1950er Jahre arbeitete er in der Unabhängigen Arbeiterpartei mit. Die löste sich aber 1952 auf. Danach wurde er zu einem der bekanntesten Kommunismusforscher.

Wie stehen Sie zum Kommunismus?

Mein Lehrmeister ist Georg Orwell. Durch „1984“ sind schon einige Flausen in meinem Kopf gestorben.

Ihr Vortrag wird vom Bremer Literaturkontor veranstaltet, der seinen Sitz in der Villa Ichon hat. Diese hatte sich öffentlich von Ihnen als Kultur- und Friedenspreisträger von 2003 distanziert, weil Sie eine Anti-Irakkrieg-Demo kritisierten. Kam es zu einer Aussöhnung?

Ich kritisierte damals die Bewegung, weil ich sie für sehr einseitig hielt. Das wurde mir übel genommen. Die Veranstaltung heute mache ich nicht für die Villa, sondern nur für das Literaturkontor.

Sie sind kein Pazifist?

Nein. Dass wir heute in einem freien Deutschland leben, liegt daran, dass US-Amerikaner und Briten Westeuropa vom Nazismus befreiten. INTERVIEW: JMP

Vortrag: Forum Kirche, Hollerallee 45, 20 Uhr