Tornados landen heute in Afghanistan

Der umstrittenste Einsatz der Bundeswehr seit langem hat begonnen. In Berlin wird weiter über friedliche Lösungen diskutiert, auch Ostermärsche greifen das Thema auf. Eine Verlängerung der Mission im Oktober könnte zur Koalitionskrise führen

AUS BERLIN KATHARINA KOUFEN

Am Montag sind die deutschen Tornados gestartet, heute sollen sie in Afghanistan landen. Einen Monat nach der Zustimmung des Bundestags, vier Tage vor den alljährlichen Ostermärschen, ein halbes Jahr, bevor die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes im Bundestag ansteht.

Einen Eilantrag der Linksfraktion auf vorläufigen Stopp der Mission hatte das Bundesverfassungsgericht vergangenen Freitag noch schnell abgewiesen. Ob der Einsatz noch vom ursprünglichen Nato-Vertrag gedeckt ist, soll nach dem 18. April entschieden werden. Für diesen Termin hat das Gericht eine mündliche Verhandlung angesetzt. Der Antrag gilt jedoch als so gut wie aussichtslos und dürfte den Tornado-Einsatz nicht gefährden.

Dennoch bleibt die Mission umstritten. Das zeigte sich auch Anfang dieser Woche. SPD-Chef Kurt Beck kehrte von einem Besuch aus Afghanistan zurück und überraschte seine Partei, den Koalitionspartner und die Opposition gemeinsam mit dem Vorschlag, die Taliban an den Verhandlungstisch einzuladen. Frieden schaffen ohne Waffen – nicht nur ein Signal an die zehntausenden Ostermärschler, die dieses Jahr gegen die Tornado-Mission protestieren wollen, sondern auch an die 69 SPD-Abgeordneten, die im Bundestag gegen den Tornado-Einsatz stimmten. Immerhin ein Drittel der Fraktion.

In der SPD stieß der Vorschlag auf Zustimmung. Der SPD-Linke Niels Annen verwies darauf, dass „die Bundeswehr und unsere Verbündeten schon mit Erfolg vorgemacht haben, dass man mit lokalen Akteuren reden und Vereinbarungen treffen kann, die größere Stabilität bringen“. Außenminister Frank-Walter Steinmeier zeigte sich offen für die Einbindung „gemäßigter Widerstandskräfte“ in den Versöhnungsprozess.

Die Union dagegen lehnte den Vorschlag ab. CSU-Generalsekretär Markus Söder sagte der Passauer Neuen Presse, man könne nicht glaubwürdig für den Tornado-Einsatz stimmen und sich gleichzeitig mit Taliban-Terroristen an einen Tisch setzen wollen. Sein CDU-Kollege Ronald Pofalla sagte der Welt, die Vorstellung, die radikalislamische Taliban nach Deutschland einzuladen, sei „abstrus“. Der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei nannte den Vorschlag „wenig realistisch“.

Je nachdem, wie sich die Lage in Afghanistan entwickelt, könnte der Einsatz im Oktober zur Zerreißprobe für die große Koalition werden. Dann steht im Bundestag die Abstimmung über eine Verlängerung an. Die Zweifel mehren sich in allen Fraktionen. Besonders in der SPD wächst die Sehnsucht, wieder als Friedenspartei dazustehen. Sei es aus echter Überzeugung, sei es in dem Wunsch, sich von der Union abzugrenzen.

Dabei ist die viel diskutierte Frage, ob es sich nicht doch um einen „Kampfeinsatz“ handelt, nur ein Teil des Problems. Die Regierung bestreitet dies offiziell und hält an ihrer Version fest: Die Bilder der Tornados, die so genau sind, dass sie auch feinste Details zeigen, dürfen nur der Nato-geführten Schutztruppe Isaf zur Verfügung gestellt werden, nicht aber der von den Amerikanern geleiteten „Operation Enduring Freedom“. Von vor Ort hört man aber, dass sich die beiden Missionen immer mehr vermischen. Experten warnen daher: Kein Mensch könne sicher stellen, dass die Fotos der deutschen Flieger nur für „gute“ Zwecke verwendet würden.

In ähnlicher Weise unterscheidet sich die offizielle Darstellung der Regierung von den Expertenmeinungen, wenn es um die Frage geht: Wird die Nato weitere Unterstützung von der Bundeswehr fordern? Bodentruppen für den Süden des Landes? Nein, versichert Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Die Bundeswehr konzentriere sich weiterhin auf den Wiederaufbau im Norden Afghanistans. Mit der Entsendung der Tornados habe die Bundesrepublik ihrer Bündnispflicht Genüge getan. Doch, sagen Experten im Vieraugengespräch. Es sei längst klar, dass die Nato auch Truppen der Bundeswehr für den Süden Afghanistans anfordern werde.

Ein weiteres Problem ist die Sicherheit der deutschen Soldaten. Was passiert, wenn doch einmal ein Tornado von Stinger-Raketen getroffen wird? Die Rettungstruppen der Verbündeten sind darauf trainiert, abgeschossene Flieger so schnell wie möglich zu bergen, damit es den Taliban nicht gelingt, Geiseln zu nehmen. Und in der Regel fliegen die Aufklärer so hoch, dass sie außer Schussweite sind – nicht aber gleich nach dem Start und vor der Landung. Bei den Debatten im Bundestag wurde diese Möglichkeit lieber erst gar nicht angesprochen. Im Fliegerhorst Jagel mussten sich die Soldaten vor ihrem Abflug am Montag auch mit solchen Fragen befassen.

„Das ist kein Flugschautag“, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) am Montag zum Abschied. „Selbstverständlich ist das ein gefährlicher Einsatz an der Front. Wir beten, dass nichts passiert.“

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