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HeimatlosAlle zwei Minuten

Jetzt gibt’s da einen Inder ohne Sky

So besonders war der Laden wirklich nicht. Die vorgeblich italienische, in echt natürlich türkisch betriebene Küche war höchstens mittelmäßig. Die Bedienungen nette Männer zwischen Langmut und Gleichgültigkeit. Die Gäste Kiezbewohner mit Hang zur Schrulle. Aber es gab eben Stühle, einen Raucherraum mit Großleinwand, den Nichtraucherbereich mit zwei Bildschirmen; es gab Milchkaffee und zwei Zeitungen und eine Art Gemeinschaftsgefühl unter den Stammgästen, zu denen wir schnell gehörten. Es war nämlich herrlich, den Sonntagnachmittag hier zu verbringen. Das erste Spiel zu schauen mit Kaffee und Zeitung, und dann das zweite mit Scaloppa Milanese.

Aber diese Zeiten sind lange vorbei. Das „Mona Lisa“ an der Hobrechtbrücke hat zugemacht. Jetzt gibt’s da einen Inder ohne Sky. Und wir irren heimatlos durch die Gegend – auf der Suche nach dem perfekten Fußballort. Es ist schwierig: Die einen sind zu rauchverhangen, bei den anderen gibt es keinen Kaffee und Zeitungen auch nicht. Die Bars haben in der Regel nur Hocker, keine Stühle. Essen gibt es fast nirgendwo, es sei denn, es ist voll und laut.

Neulich hatten wir kurz geglaubt, den geeigneten Laden gefunden zu haben: das „Rizz“ im Graefekiez, in der Grimmstraße. Aber ach. Die Spielplatznähe bedeutete Kinderlärm, die Speisen waren preislich anspruchsvoll, aber auch nicht mehr als okay, und die Stimmung war schnell vergiftet. Und zwar von den einfach zu professionell eingestellten Bedienungen: Man hatte kaum Platz genommen, schon wurde man nach Wünschen gefragt; man war kaum fertig, schon war der Teller abgeräumt, und es vergingen keine zwei Minuten, bis man nach den nächsten Wünschen gefragt wurde! Man wurde zum Konsumsubjekt degradiert. Hier habe ich begriffen, was das Wort „abserviert“ bedeutet. Mona Lisa, komm zurück!

RENÉ HAMANN

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