PRESS-SCHLAG
: Irgendeiner geht immer

LEBENSHILFE Werden Sie jetzt Fan des Vereins, der zu Ihnen passt: eine Anleitung bei der Suche

Vorsicht: An RB Leipzig verbrennen Sie sich womöglich die Finger

Sie sind immer noch kein Fan eines Vereins Ihrer Wahl? Weil es nervt, wenn 22 Verrückte einem Ball hinterherrennen? Weil kulturindustrieller Massensport als Opium fürs Volk generell abzulehnen ist? Dann haben Sie das Spiel nicht verstanden! Legen Sie Ihre Bedenken und Berührungsängste ab, denn kein Fußball ist auch keine Lösung.

Oder glauben Sie, es sei längst zu spät, Fan zu werden, weil Sie das ganze Drumherum nicht mit der Muttermilch aufgesogen haben? Das sind doch alles Ausreden! Es ist schließlich noch kein Meister vom Himmel gefallen. Also, werden Sie jetzt Fan des richtigen Vereins! Wie das geht, erfahren Sie hier. Die wichtigste Frage zu Beginn lautet: Bayern oder nicht Bayern? Denn die (deutsche) Fußballwelt ist in zwei Lager gespalten, in Fans und Gegner des FC Bayern München. Das ist übrigens der Rekordverein, der fast immer (im Schnitt jedes zweite Jahr) deutscher Meister wird.

„Erfolgs-Fan“ zu sein ist langweilig? Gut, dann stehen weitere Optionen offen. Falls ein Profi-Verein in Ihrer Region spielt, liegt es nahe, sich diesen als neuen Lieblingsklub zu erwählen. So sind die Wege ins Stadion kürzer – und Sie sollten als „richtiger“ Fan auf jeden Fall ab und an dorthin pilgern. Denn der Fußball lebt neben der Spannung und dem Mitfiebern (für Ihren Verein!) vor allem von der Stimmung. Zu Risiken und Nebenwirkungen – sowohl zu Ihrem neuen Lieblingsverein als auch zum Stadionbesuch – informieren Sie sich in Ihrem Bekanntenkreis. Wenn Sie aus dem Osten Deutschlands kommen, haben Sie als Lokalpatriot ein Problem.

Sie können dann höchstens Fan eines Zweitligisten werden. Aber Vorsicht: An RB Leipzig verbrennen Sie sich womöglich die Finger, denn der Red Bull-Verein wird von sämtlichen gegnerischen Fans als „Retortenklub“ verspottet. Damit sind Vereine ohne „echte Geschichte“ und „echte Fans“ gemeint, hinter denen große Konzerne oder Mäzene stehen. Dabei wird aber verschwiegen, dass inzwischen alle Klubs mit Millionensummen jonglieren. Sollten Sie sich also doch für die Leipziger entscheiden – oder für „Retortenklubs“ aus dem Westen wie Hoffenheim und Wolfsburg – und ein Schalke-Fan kommt Ihnen blöd, dann sprechen Sie ihn einfach auf das Sponsoring von Gazprom bei seinem Verein an.

Lokalpatriotismus ist Ihnen schnuppe? Und lange Wege durch die Republik stören Sie nicht, solange diese sich lohnen? Sie wollen also Stimmung im Stadion? Wie wäre es mit Borussia Dortmund, dem großen Verein hinter den Bayern. Dort gibt es, was in England längst abgeschafft wurde: eine Tribüne voller Stehplätze – und zwar die größte Europas. Sie mögen es lieber eine Nummer kleiner? Dann könnte Eintracht Frankfurt zu Ihnen passen.

Stimmung ist Ihnen nicht so wichtig wie die politische Botschaft? Sie sind also links – und wollen Fußballfan werden? Dann bieten sich die Punks aus St. Pauli oder die Ökos aus Freiburg an. Das ist Ihnen zu klassisch, Sie mögen lieber die absoluten Underdogs? Wie wäre es mit Paderborn? Aber aufgepasst, denn wahrscheinlich werden Sie dann mit Ihrem Klub mehr leiden müssen, früher oder später. Zur Erinnerung: Das heißt, dass Ihr Verein mehr verlieren wird als gewinnen.

Sie sehen also: Es gibt eine große Auswahl. Und damit Sie für die unter Fans beliebten Fußballdebatten gerüstet sind, vergessen Sie nie: Ihr Klub ist der beste! Deutscher Meister. Oder die „größte Diva“. Die „besten Fans der Welt“. Meister der Herzen. Der Verein mit den meisten Punkten umgerechnet auf den Etat. Irgendein Superlativ findet sich immer. Ein wenig Fachwissen kann dabei nicht schaden. Und scheuen Sie sich nicht vor abstrusen Statements, denn Fan-Sein ist sowieso irrational. Das war schon immer so. TR