GEHT’S NOCH?
: Arm, dumm und gemein

WER DEM GESCHWÄTZ AUFGESESSEN IST, DEUTSCHLAND SEI KINDEFREUNDLICH, HAT DAS KLEINGEDRUCKTE NICHT GELESEN

Unsere sexy Hauptstadt ist auch eine Kapitale der Zitate: „Du bist verrückt, mein Kind, du musst nach Berlin. Wo de’ Verrückten sind, da gehörste hin“, lautet einer der Gassenhauer. Und nicht minder berühmt wurde jenes entwaffnend-mauernöffnende „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“

Ob der Paragraf in der von der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg am 18. Junibeschlossenen „Begründung für den Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung für das Gebiet Barbarossa-platz / Bayerischer Platz“ (Drucksache 1125) auch die ganz große Karriere machen wird? Ein Dokument des Spirits des Aufbruchs in dieser Stadt, durch die die Völker der Welt ihre Rollkoffer ziehen, ist er unbedingt: „Bei einer veränderten Wohnungsgrößenstruktur durch Zusammenlegungen kleiner Wohnungen, die insbesondere im Zuge von Bau- und Modernisierungsmaßnahmen in den Wohnanlagen der Nachkriegsperiode droht, wird die Nachfrage nach infrastrukturellen Angeboten für Kinder steigen, speziell im Grundschulbereich. Die Kapazitätsgrenze der Grundschulen ist aber bereits erreicht. Eine Ausweitung des Platzangebots würde somit zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur erfordern.“

Äh, ja, klar: Dit jeht naürlich nich! Da tritt der Verordnete in Tempelhof-Schöneberg voll auf die geistige Schuldenbremse, mit den besten Absichten des Kampfes gegen Spekulation und Verdrängung natürlich. Unangenehmer als die Vorstellung, hier sei dumpfe Dummheit am Werk gewesen, ist nur noch jene, es handle sich um kalte Absicht. Denn wenn diese nervenden Familien kommen, bzw. wenn man verhindert, dass sie kommen – dann muss man nicht über Nacht eine teure, fünf Meter hohe Lärmschutzmauer hochziehen, wie es den Kollegen im benachbarten Dahlem zugemutet wurde, um hedonistische Singles vor den Blagen zu schützen. Ein Beschluss also ganz im Sinne des Mottos der zuständigen Bundestagsabgeordneten Mechtild Rawer (SPD): „Kompetent, lebensnah, vor Ort.“ AMBROS WAIBEL