: Fonds zahlt Privatbehandlung
Anthroposophische Heilmittel sollen den Körper dabei unterstützen, sich selbst zu heilen. Das braucht Zeit. Um seinen Patienten diese Zeit geben zu können, geht das Paracelsus-Krankenhaus in Bad Liebenzell neue Wege
Krankenhäuser sollen sparen. Deshalb versuchen sie Patienten schnell zu heilen und so früh wie möglich zu entlassen. Oft zu früh, bemängeln Mediziner. Einer von ihnen ist Mathias Sauer, leitender Arzt am Paracelsus- Krankenhaus in Bad Liebenzell in Baden-Württemberg. Neben herkömmlichen Behandlungen setzt diese Klinik für Innere Medizin auf anthroposophische Heilmittel wie Rhythmische Einreibungen, Heileurythmie und künstlerische Therapien. Sie sollen die Selbstheilungskräfte der Patienten aktivieren. In Krankheitszeiten passiere eine Menge mit einem, sagt Sauer. „Was ein Mensch aus eigener Kraft überwindet, lässt ihn nachher anders dastehen als vorher.“
Eine Lungenentzündung beispielsweise sei gut ohne Antibiotika zu behandeln, erklärt der Mediziner. Doch so eine Selbstheilung braucht Zeit. Zeit, die dem Gebot der Wirtschaftlichkeit von Krankenhäusern zuwiderläuft. Diese Erfahrung brachte die Ärzte und Geschäftsführer des Paracelsus- Krankenhauses auf eine Idee. Sie gründeten das Klinisch-Therapeutische Institut.
Das ist eine zweite Klinik, die gleich nebenan liegt. Doch im Unterschied zum Paracelsus-Krankenhaus ist das Klinisch-Therapeutische Institut ein Privatkrankenhaus – ein Umstand, der dem deutschen Gesundheitssystem geschuldet ist. Kliniken, die mit gesetzlichen Krankenkassen nach Fallpauschalen abrechnen, ist es verboten, ihre Leistungen auch für Selbstzahler anzubieten. Also musste ein separates Haus her.
Im Klinisch-Therapeutischen Institut können sich Menschen für einen Satz von 275 Euro am Tag behandeln lassen. Meistens sind das Patienten, die zuvor im Paracelsus-Krankenhaus waren und ihre Therapie hier fortsetzen. Hinzu kommen andere Patienten, von denen manche sogar aus Großbritannien oder den USA anreisen. „Das lässt uns glauben, dass das Klinisch-Therapeutische Institut einen Markt bedient, der Zukunft hat“, erklärt Sauer. Gerade kleine Krankenhäuser werden in den nächsten Jahren ums Überleben zu kämpfen haben, prognostizieren Branchenkenner. Mit dem privaten Zusatzangebot hofft das Paracelsus-Krankenhaus am Markt bestehen zu können – vorrangig natürlich mit seinem Behandlungsansatz. Das sind „Therapien, die die Menschen wieder zu sich kommen lassen, so dass sie eine Krankheit mit einem anderen Lebensgefühl hinter sich lassen“, beschreibt Sauer. Zurzeit hat das Klinisch-Therapeutische Institut zehn Betten. Im vergangenen Jahr betreute es 200 Patienten, die vorwiegend an Krebs, Herzkrankheiten, Rheuma und psychosomatischen Erkrankungen litten.
Unter den Patienten waren auch solche, die sich eine Privatbehandlung gar nicht leisten konnten. Möglich machte das der „Fonds für Freie Therapie“, den die Paracelsus-Stiftung eingerichtet hat. Darin können Menschen für sich selbst oder für andere einzahlen. Im Moment gebe es rund 50 Prozent Selbstzahler, berichtet Sauer. Viele splitteten ihre Beiträge und stellten einen Teil solidarisch zur Verfügung. Der Fonds ist als gemeinnützig anerkannt.
Damit der Fonds die Behandlungskosten für mittellose Patienten übernimmt, prüft das Klinisch-Therapeutische Institut die Bedürftigkeit – in medizinischer wie finanzieller Hinsicht. Dabei wird auch geschaut, ob der Patient einen Teil der Kosten selbst zahlen kann. „Fünf Euro am Tag kann eigentlich jeder aufbringen“, sagt Sauer. Nach einem Gespräch mit dem behandelnden Arzt beurteilt ein kleines Gremium den Antrag eines Patienten auf Unterstützung aus dem Fonds. MARTINA JANNING
Infos zum Klinisch-Therapeutischen Institut und dem Fonds für Freie Therapie unter www.paracelsus-zentrum.de