Touristen auf Tour: Babylon Bikes
Kubi’s Bike Shop im Wrangelkiez. Kubi schraubt an meinem neuen Ersatzrad herum, das als Ersatz für das vorige Ersatzrad herhalten muss, welches mir entwendet wurde. Der internationale Name des Ladens täuscht – Kubi kann kein Englisch. Türkisch und Berlinerisch sollten reichen, schließlich ist er Fahrradschrauber und nicht im diplomatischen Dienst. Seit Neuestem vermietet er jedoch Räder an Touristen.
Warum fangen Menschen, die nie zuvor auf einem Fahrrad gesessen haben, gerade in Berlin damit an? Bekanntlich ist nach der Pubertät das Gleichgewichtszentrum nicht mehr so leicht zu überlisten, weshalb sich Stützräder sowie eine geduldige Hinführung an den Straßenverkehr anböten. Stattdessen eiern und gurken mit der ersten Frühlingssonne Myriaden unkoordinierter Blindschleichen über die Gehwege oder blockieren den Weg, während sie paralysiert auf den Stadtplan starren, weil sie sich leichtfertig aus Kreuzbergkölln herausgewagt haben.
Diese Menschen erscheinen nun im Sekundentakt in Kubi’s Bike Shop. „How much is bike?“ Kubi: „Wat? Ick kann kein Englisch.“ Ein anderer drängelt sich dazwischen. „I’m looking for a French guy.“ Kubi: „Wat? Ick kann kein Englisch.“ Eine Holländerin, die misslaunig auf ihr repariertes Hollandrad wartet: „Er sucht einen Franzosen.“ Kubi: „Straße runter is ne französische Kneipe.“ Holländerin: „Das is’n Spanier!“ Ich: „Ich glaube, er sucht einen bestimmten Franzosen.“ Kubi: „Ach, der! Der ist zur Bank gegangen, wegen der Radmiete.“
Kurz darauf kommt ein Spanier rein. „Nix funktionier.“ Kubi: „Das hab ich auch nich repariert.“ Der Spanier verschwindet wortlos.
Kubi klagt, dass gestern Morgen die Reifen sämtlicher Mieträder aufgestochen waren. Vielleicht sollte er sich einfach nur ums Schrauben kümmern und das Geschäft mit den Touristen sein lassen. Schont die Nerven.
ULLA ZIEMANN
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