Hungern gegen den Präsidenten

Die kirgisische Opposition hat mit Protesten gegen Präsident Kurmanbek Bakijew begonnen. Dem verarmten Land droht das Chaos. Noch bleibt Bakijew standhaft

BAKU taz ■ Jurten, Hungerstreik, Androhung von Selbstverbrennungen und Massenproteste. In Kirgisien lässt man keine Protestform aus. Die Opposition des zentralasiatischen Staates rüstet seit Anfang April zum letzten Gefecht gegen Präsident Kurmanbek Bakijew. Noch bleibt der Präsident standhaft. „Ich lasse mir keine Verfassung aufzwingen“, erklärte Bakijew am Freitag, während in Jurten auf dem Parlamentsvorplatz in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek 100 Kirgisen für dessen Rücktritt hungern. Die Opposition will ihren Protest am 11. April mit Massenkundgebungen fortsetzen. Sie fordert vorgezogene Wahlen – es sei denn, Bakijew stimmt einer Verfassung zu, die die Macht des Präsidenten erheblich einschränkt. Es wäre die vierte Verfassung Kirgisiens innerhalb von fünf Monaten.

Anführer der Proteste ist Ex-Premierminister Felix Kulow, der als starker Mann des Nordens gilt. Im neuen Jahr hatte er den Übertritt zur Opposition und die Gründung der „Vereinigten Front“ verkündet. Präsident Bakijew hat seine Anhänger vor allem in den südlichen Regionen. Ende März hatte Bakijew Almasbek Atambajew, einen führenden Oppositionspolitiker aus dem Norden, zum Premierminister ernannt und so versucht, den Spaltpilz in die Opposition zu treiben. Die „Vereinigte Front“ unter Kulow zeigte sich jedoch unbeeindruckt.

Seit der sogenannten Tulpenrevolution, die den ersten kirgisischen Präsidenten Askar Akajew im März 2005 aus dem Lande vertrieb, hangelt sich das bettelarme Land mit knapp fünf Millionen Einwohnern von Krise zu Krise. Die Staatsverschuldung beträgt 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Es vergeht kaum eine Monat, an dem nicht irgendeine Bewegung zum Protestmarsch anführt. Die Demonstranten dazu werden gemietet – für umgerechnet zwei Euro pro Tag und Person. Verpflegung inklusive, es sei denn, es wird protestgehungert.

Bis zum Rücktritt im Dezember hatten Kulow als Premierminister zusammen mit Bakijew versucht, die widerstrebenden Kräfte zusammenzuhalten. Nach dem Auseinanderbrechen des Machttandems an der Staatsspitze trat die Feindschaft der herrschenden Eliten aus dem Norden und Süden offen zu Tage. Beide Seite bemühen sich, Moskaus Segen zu erhalten. In Kirgisien stehen in unmittelbarer Nachbarschaft eine russische und eine US-amerikanische Militärbasis. Gegen den Willen Moskaus traut sich keiner der kirgisischen Politiker zu agieren. Nach Einschätzung internationaler Beobachter könnte eine weitere Eskalation im Gerbirgsstaat die Stabilität der gesamten zentralasiatischen Region gefährden. Schon jetzt verläuft ein Großteil des Opiumschmuggels aus Afghanistan durch Kirgisien.

MARCUS BENSMANN